Web 2.0 Technologien im Geschäftsprozessmanagement · Unternehmensmodelle, damit mehrere Nutzer...

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Web 2.0 Technologien im Geschäftsprozessmanagement Dr. Sebastian Stein Software AG Zimmerstr. 67 10117 Berlin [email protected] http:://www.ariscommunity.com/ Dr. Katrina Simon, Eric Brabänder Software AG Altenkesseler Str. 17 66115 Saarbrücken {katrina.simon|eric.brabaender}@softwareag.com http://www.softwareag.com/ Stefan Wind Universität Augsburg Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik und Systems Engineering Universitätsstr. 16 86159 Augsburg [email protected] http://wi-se.wiwi.uni-augsburg.de/ Abstract: Erfolgreiches Geschäftsprozessmanagement war und ist auf die Zusam- menarbeit von Individuen aus unterschiedlichen Organisationen angewiesen. Web 2.0 Technologien haben die Zusammenarbeit von Internetnutzern an Inhalten ermöglicht. In diesem Industriebeitrag wird deshalb anhand eines Praxisbeispiels untersucht, wo Web 2.0 Technologien ein Projekt aus dem Geschäftsprozessmanagement sinnvoll un- terstützen können oder bereits tun. Dabei zeigt sich, dass Web 2.0 Technologien zwar kein Allheilmittel sind, aber zur Effizienzsteigerung im Geschäftsprozessmanagement beitragen können. 1 Einleitung 1.1 Kollaborativer Charakter des Geschäftsprozessmanagements Ein wesentliches Gestaltungselement eines Unternehmens ist die Organisationsstruktur [Sch01]. Dabei werden Unternehmen zum Beispiel anhand einer regionalen Aufteilung oder einer Branchenstruktur gegliedert. Einzelnen Mitarbeitern werden Rollen zugewie- sen, mehrere Mitarbeiter zu Abteilungen zusammengefasst, Abteilungen wiederum bilden Betriebe und Tochtergesellschaften, die zusammen den Konzern bilden. Auch wenn mit INFORMATIK 2011 - Informatik schafft Communities 41. Jahrestagung der Gesellschaft für Informatik , 4.-7.10.2011, Berlin www.informatik2011.de erschienen im Tagungsband der INFORMATIK 2011 Lecture Notes in Informatics, Band P192 ISBN 978-3-88579-286-4 weitere Artikel online: http://informatik2011.de/519.html

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Web 2.0 Technologien im Geschäftsprozessmanagement

Dr. Sebastian SteinSoftware AGZimmerstr. 6710117 Berlin

[email protected]:://www.ariscommunity.com/

Dr. Katrina Simon, Eric BrabänderSoftware AG

Altenkesseler Str. 1766115 Saarbrücken

{katrina.simon|eric.brabaender}@softwareag.comhttp://www.softwareag.com/

Stefan WindUniversität Augsburg

Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik und Systems EngineeringUniversitätsstr. 1686159 Augsburg

[email protected]://wi-se.wiwi.uni-augsburg.de/

Abstract: Erfolgreiches Geschäftsprozessmanagement war und ist auf die Zusam-menarbeit von Individuen aus unterschiedlichen Organisationen angewiesen. Web 2.0Technologien haben die Zusammenarbeit von Internetnutzern an Inhalten ermöglicht.In diesem Industriebeitrag wird deshalb anhand eines Praxisbeispiels untersucht, woWeb 2.0 Technologien ein Projekt aus dem Geschäftsprozessmanagement sinnvoll un-terstützen können oder bereits tun. Dabei zeigt sich, dass Web 2.0 Technologien zwarkein Allheilmittel sind, aber zur Effizienzsteigerung im Geschäftsprozessmanagementbeitragen können.

1 Einleitung

1.1 Kollaborativer Charakter des Geschäftsprozessmanagements

Ein wesentliches Gestaltungselement eines Unternehmens ist die Organisationsstruktur[Sch01]. Dabei werden Unternehmen zum Beispiel anhand einer regionalen Aufteilungoder einer Branchenstruktur gegliedert. Einzelnen Mitarbeitern werden Rollen zugewie-sen, mehrere Mitarbeiter zu Abteilungen zusammengefasst, Abteilungen wiederum bildenBetriebe und Tochtergesellschaften, die zusammen den Konzern bilden. Auch wenn mit

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einer unpassenden Aufbauorganisation viel Schaden angerichtet werden kann, so reichtallein die Definition dieser nicht aus, damit Arbeit verrichtet wird [SH90, BKR05]. Dazumüssen Mitarbeitern Aufgaben zugewiesen werden und es muss eine Verknüpfung dieserTeilaufgaben stattfinden, um Geschäftswerte zu generieren. Während die Aufbauorganisa-tion die Akteure definiert, erweckt die Ablauforganisation diese zum Leben.

Die Aufbauorganisation eines Unternehmens wird zum Beispiel mittels eines Organi-gramms abgebildet. Für die Darstellung der Ablauforganisation nutzt man Wertschöp-fungsketten und Prozessmodelle. Durch die Abbildung in Modellen wird sowohl die Aufbau-als auch Ablauforganisation expliziert und einer Vielzahl von Anwendungen zugeführt,etwa [BKR05]:

• Dokumentation der aktuellen Unternehmensstruktur etwa im Rahmen eines Audits

• Kommunikation der Unternehmensstruktur

• Vergleich aktuelle Unternehmensstruktur mit einer zukünftig Angedachten

• Prozessoptimierung

• Prozesssimulation

• Prozesskostenrechnung

• modelgetriebene Implementierung von Prozessen

• Messung der Leistung von ausgeführten Prozessen

• etc.

Diese Liste der möglichen Anwendungen von Unternehmensmodellen lässt sich beliebigerweitern, denn es steht heute eine Vielzahl von Werkzeugen und Methoden für das Mana-gement von Unternehmensmodellen zur Verfügung [BKR05]. Der Kanon an Werkzeugenund Methoden für das Management von Unternehmensmodellen wird gemeinhin unterdem Begriff Geschäftsprozessmanagement subsumiert [AFF10].

Das Studium der oben angerissenen Anwendungen von Unternehmensmodellen wie Pro-zessoptimierung und Prozesskostenrechnung lässt vermuten, dass dies nur bewältigt wer-den kann, wenn eine Vielzahl von Individuen zusammen arbeitet. So benötigt man zumBeispiel für die Erstellung eines Prozessmodels sowohl Modellierungsexperten als auchdie Fachanwender, die diese Prozesse in ihrer täglichen Arbeit leben.

Die Erkenntnis, dass Geschäftsprozessmanagement eine kollaborative Aufgabe ist, ist nichtneu [VFL10]. So findet sich in Standardliteratur des Geschäftsprozessmanagements (etwa[SS08]) der Hinweis, dass im Unternehmen ein Kompetenzzentrum für das Geschäftspro-zessmanagement etabliert werden soll, um die reibungslose Zusammenarbeit zu ermögli-chen. Auch gängige Werkzeuge für das Geschäftsprozessmanagement wie die ARIS Plat-form der Software AG1 nutzen seit mehr als 10 Jahren Datenbanken zur Speicherung der

1Ein Überblick über die in diesem Artikel als Beispiele genutzten Produkte der Software AG findet man unterhttp://www.softwareag.com/de/products/bis/products/.

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Unternehmensmodelle, damit mehrere Nutzer gemeinsam, auch geografisch verteilt, daranarbeiten können.

1.2 Durch Web 2.0 zum Mitmachweb

Ursprünglich war das Internet aus Nutzersicht ein statisches Medium. Inhalte wurden voneiner kleinen Gruppe produziert und online einer unbekannten Masse zur Verfügung ge-stellt [Bäc08]. Außer Foren und Gästebüchern gab es für den Konsumenten kaum Mög-lichkeiten Inhalte selbst zu erstellen oder sogar vorhandene Inhalte anzupassen [Alb08].

In den letzten 10 Jahren wurde eine Vielzahl neuer Technologien im Internet etabliert.Diese Technologien werden unter dem Begriff Web 2.0 zusammengefasst [OB04]. Häufigin diesem Zusammenhang genannte Technologien sind [KR07, AB08, BGT08]:

• RSS Feeds - Benachrichtigung über Änderungen nach dem Pull-Prinzip

• Notifications bzw. Signale - Benachrichtigungen über Änderungen nach dem Push-Prinzip

• Mashups - Kombination vorhandener (externer) Inhalte und Dienste

• Blogs, Podcasts und Videocasts - Internetkolumnen in Text, Ton und Bild

• Ratings - Qualitätsbewertung von Inhalten durch den Konsumenten

• Tagging und Social Bookmarking - Verschlagwortung von Inhalten durch den Kon-sumenten

• Wikis - kollaborative Erstellung von Inhalten durch Nutzer

• massiv verbesserte Suchtechnologien (z.B. Google oder Wolfram Alpha)

• mobiler Zugriff - allgegenwärtige Verfügbarkeit im Sinne des Ubiquitous Compu-ting

• offene Schnittstellen - öffentliche zur Verfügungsstellung von Diensten und Inhalten(z.B. REST)

• soziale Netzwerke - Beziehungsknüpfung zwischen Internetnutzern und Nachrich-tenaustausch

• AJAX - Attraktivitätssteigerung durch interaktive Oberflächen

• etc.

Durch das Web 2.0 kann heute jeder Internetnutzer selbst Inhalte entweder allein oderzusammen mit anderen Nutzern erstellen. Technische Vorkenntnisse oder Investitionensind im „Mitmachweb“ nicht nötig, was das Internet zu einem demokratischen offenenMedium macht.

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1.3 Ziel dieses Praxisbeitrags

Das Aufkommen des Web 2.0 hat zu einer fundamentalen Weiterentwicklung des Inter-nets geführt. Da diese Technologien solch einen radikalen Wandel auslösen konnten, istes naheliegend zu untersuchen, ob diese in anderen Bereichen ebenfalls angewendet wer-den können. In diesem Beitrag wird deshalb anhand eines Praxisbeispiels diskutiert, obWeb 2.0 Technologien sinnvoll im Geschäftsprozessmanagement eingesetzt werden kön-nen oder sogar schon werden.

m folgenden Abschnitt wird das Praxisbeispiel eingeführt. Im anschließenden Abschnittwird detailliert das im Beispiel durchgeführte SCM2 Projekt beschrieben. Dabei wird be-sonders auf die Schritte im Beispielprojekt eingegangen, die durch Web 2.0 Technologienunterstützt werden können. Für das Prozessmanagement notwendige Software wird, wozur besseren Illustration sinnvoll, durch Rückgriff auf Bestandteile der ARIS Plattformvorgestellt. Eine Integration von Web 2.0 Technologien in diese Prozessmanagementwerk-zeuge wird diskutiert. Dabei wird sich zeigen, dass Web 2.0 Technologien zwar kein All-heilmittel sind, aber zu einer Effizienzsteigerung im Geschäftsprozessmanagement beitra-gen können. Am Ende des Artikels erfolgt eine kurze Zusammenfassung.

2 Das SCM Projekt

Ein multinationaler Hersteller für Haushaltsgeräte wie Kühlschränke und Waschmaschi-nen benötigt für die Produktion seiner Geräte eine Vielzahl von elektronischen Bauteilenwie Relais oder Displays. Da es sich weitestgehend um standardisierte Komponenten han-delt, bezieht er diese von unterschiedlichen Zulieferern.

Die Daten zu den einzelnen Komponenten sind in einem elektronischen Katalog verzeich-net, der von einem unabhängigen Betreiber gepflegt wird. Der Katalogbetreiber stellt ver-schiedene Schnittstellen zu seinem Katalog zur Verfügung, damit dieser in andere Systemeund Prozesse eingebunden werden kann.

Der Haushaltsgerätehersteller initiiert mit seinen wichtigsten Zulieferern ein Supply ChainManagement (SCM) Projekt, um den Prozess zur Angebotsabgabe weitestgehend zu au-tomatisieren. Zukünftig möchte der Hersteller nach Auswahl eines Bauteils aus dem Ka-talog eine elektronische Aufforderung zur Angebotsabgabe an die Zulieferer aus seinemERP System schicken. Die Zulieferer sollen diese Aufforderung in ihren Systemen erhal-ten, um mit einer elektronischen Angebotsabgabe antworten zu können. Danach würde derHersteller die eingegangenen Angebote evaluieren und einen Zulieferer auswählen. Fol-gende Schritte, wie das Versenden einer Bestellanforderung an den ausgewählten Zuliefe-rer, sind nicht Bestandteil des SCM Projekts. Das End-to-End Szenario ist in Abbildung 1als Wertschöpfungskette illustriert.

Der Hersteller strebt eine vollständige IT Unterstützung des zuvor skizzierten Ablaufs an.Zugriff auf den Komponentenkatalog, Abfrage von aktuellen Aufforderungen zur Ange-

2SCM - Supply Chain Management

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Komponente aus

Katalog auswählen

Aufforderung zur

Angebotsabgabe

erstellen

Eingegangene

Angebote prüfen

Lieferant auswählen

und beauftragen

Abbildung 1: SCM Szenario AngebotsabgabSCM Szenario Angebotsabgabe

botsabgabe und Austausch von Angeboten soll elektronisch ohne Nutzerinteraktion erfol-gen.

Das SCM Projekt ist eine Herausforderung für den Hersteller, da nicht nur bereits ge-nutzte Systeme, wie der Katalog, in eigene Abläufe eingebunden werden sollen, sonderndie Detailabläufe mit mehreren externen Beteiligten, den Zulieferern, abgestimmt werdenmüssen. Um die Komplexität solch eines Projekts zu bewältigen, stützt sich der Herstellerauf zwei Kernkomponenten:

• Projektmanagement

• modelgetriebene Entwicklung im Rahmen des Geschäftsprozessmanagements

Im folgenden Abschnitt werden die einzelnen Phasen dieser modelgetriebenen Entwick-lung und der Einsatz von Web 2.0 Technologien diskutiert.

3 Anwendung von Web 2.0 Technologien im SCM Projekt

3.1 Projektmanagement und Web 2.0

Am SCM Projekt sind geografisch stark verteilte Personen beteiligt, die zudem aus unter-schiedlichsten Bereichen kommen.

• Mitarbeiter des Herstellers:

– aus der Einkaufsabteilung

– aus dem Kompetenzzentrum Geschäftsprozessmanagement

– aus der IT Abteilung

– Projektleitung

• technische Ansprechpartner beim Katalogbetreiber

• technische und fachliche Ansprechpartner bei den Zulieferern

Alle diese Personen müssen zu unterschiedlichen Zeitpunkten am SCM Projekt beteiligtwerden. Es muss eine Kommunikation zwischen den Beteiligten stattfinden und Arbeits-ergebnisse müssen zwischen ihnen verteilt werden.

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Für diese allgemeinen Aufgaben im Rahmen des Projektmanagements erscheint der Ein-satz von Web 2.0 Technologien sehr sinnvoll. So könnte zum Beispiel eine entsprechendeLösung für die Zusammenarbeit in Projekten bei einem unabhängigen Anbieter genutztwerden. Diese Lösung könnte zum Beispiel ein einfaches soziales Netzwerk umfassen,in dem die Beteiligten ihre Kontaktdaten pflegen. In einem Wiki würden die wichtigstenProjektergebnisse gepflegt und ein Forum steht für Diskussionen zwischen den Beteiligtenzur Verfügung. Notifications werden genutzt, um Projektmitglieder über Änderungen zuinformieren.

Während des gesamten SCM Projekts findet eine Projektsteuerung durch den Herstellerstatt. Dazu müssen Termine koordiniert, der Projektfortschritt dokumentiert und kommu-niziert, Diskussionen geführt und das Verhalten der Beteiligten gesteuert werden. Im Rah-men des SCM Projekts erstellte Artefakte werden allen Beteiligten zugänglich gemacht.Die Projektsteuerung begleitet damit als Querschnittsdisziplin alle anderen Projektphasen.

Der Einsatz solch eines Projektwikis muss aber auch kritisch hinterfragt werden. So musszum Beispiel genau abgegrenzt werden, wer Zugriff auf welche Inhalte hat. So wird derHersteller zum Beispiel nicht seine für das SCM Projekt relevanten internen Abläufe imWiki dokumentieren, denn in ihrer Gesamtheit sollten diese für die Zulieferer nicht zu-gänglich sein. Dadurch kann es notwendig sein, dass jede beteiligte Organisation ein se-parates Werkzeug für den Austausch der eigenen Mitarbeiter und die Ablage von internenDokumenten einsetzt. Dadurch besteht die Gefahr, dass Informationen redundant gepflegtwerden oder nicht alle notwendigen Informationen allen Beteiligten zur Verfügung stehen,da sie in unterschiedlichen Systemen gepflegt werden.

Trotz dieser Bedenken erscheint der Einsatz von Web 2.0 Technologien im Projektmana-gement und der Projektkommunikation sinnvoll. In den nächsten Abschnitten werden diewichtigsten Phasen des SCM Projekts näher erläutert und die Einsetzbarkeit von Web 2.0Technologien untersucht.

3.2 Phase 1: Konzeptioneller Entwurf

Da der Hersteller Nutzer des Produktportfolios der Software AG ist, folgt er dem vom An-bieter vorgeschlagenen prinzipiellen Vorgehen für solche Prozessimplementierungsprojek-te. Dieses Vorgehen umfasst prinzipiell drei Phasen:

1. Konzeptioneller Entwurf des Geschäftsszenarios

2. Logischer Entwurf der Lösungsarchitektur

3. Implementierung und Inbetriebnahme der Lösung

Abbildung 2 zeigt eine detailliertere Darstellung des Vorgehens. Die methodischen Grund-lagen zu dem Vorgehen finden sich in [Ste09].

Zu Beginn der ersten Phase benennt der Hersteller zunächst sein SCM Projektteam. Dieerste Aufgabe besteht in der Erfassung und Dokumentation des zukünftigen Prozesses

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zur Angebotsabgabe. Dazu modellieren die Projektmitarbeiter den Prozess in einem Ge-schäftsprozessmodel. Ausgehend von der in 1 gezeigten Wertschöpfungskette untersetzensie jede Funktion mit detaillierteren Prozessmodellen zum Beispiel mittels der EPK Nota-tion. Für die Erstellung der Modelle nutzen sie den ARIS Business Architect. Die erstell-ten Prozessmodelle stehen dabei nur den Beteiligten des Herstellers zur Verfügung, da dieModelle eine Vielzahl von Details enthalten, die für Externe irrelevant sind und auch nichtveröffentlicht werden dürfen.

Konzeptioneller Entwurf

Geschäftsprozess

definieren

Benötigte IT

Unterstützung

analysieren

Review und Freigabe

konzeptioneller

Entwurf

Definition benötigte

Geschäftsservices

Logischer Entwurf

Logischen Prozess

definieren

Abstimmung IT

Schnittstellen

Review und Freigabe

logischer Entwurf

Anreicherung

logischer Prozess mit

IT Schnittstellen

Implementierung & Betrieb

Schnittstellen

implementieren

Service-

Orchestrierung

implementieren

BetriebTestzyklus

Abbildung 2: Vorgehen Prozessimplementierungsprojekt

Während der Prozessmodellierung ist eine intensive Abstimmung sowohl innerhalb desHerstellers als auch mit den Zulieferern notwendig. So ist zum Beispiel zu klären, ob dieZulieferer die aktuelle Liste von Aufforderungen zur Angebotsabgabe selbst abfragen oderob die Zulieferer über eine automatische Nachricht durch den Hersteller über das Vorliegeninformiert werden.

Intern veröffentlicht der Hersteller die erstellten Modelle in einem Prozessintranet. In die-ses Intranet können verschiedenste Web 2.0 Technologien integriert werden. So habenMitarbeiter zum Beispiel die Möglichkeit, Modelle zu bewerten oder Rückmeldungen zu

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Modellen in Form von Kommentaren zu geben. Mitarbeiter können die Modelle mit Tagsversehen, um diese unter gängigen Begriffen besser zugänglich zu machen. Weiterhin wirdfür jedes Model ein RSS Feed angeboten, um direkt über eine Modeländerung informiertzu werden. Alternativ können sich Mitarbeiter per Email über Änderungen informierenlassen. Der Einsatz von Web 2.0 Technologien für die interne Kommunikation von Unter-nehmensmodellen erscheint sehr sinnvoll und wird schon heute teilweise von entsprechen-den Produkten unterstützt.

Für die Kommunikation mit den Zulieferern nutzt der Hersteller das Projektwiki. Hierveröffentlicht er nur eine grobe Darstellung des Integrationsszenarios und skizziert, wel-che prinzipiellen Anforderungen sich für Zulieferer ergeben, die sich zukünftig am neuenVerfahren beteiligen wollen bzw. müssen.

Bevor der Übergang zur nächsten Projektphase, dem logischen Entwurf einer Lösungsar-chitektur, möglich ist, müssen alle Verantwortlichen zunächst die Ergebnisse dieser erstenPhase abnehmen und freigeben. Die Begutachtung der aktuellen Ergebnisse kann in denbereits diskutierten Werkzeugen wie dem Projektwiki oder dem Prozessintranet erfolgen.Bei der formalen Freigabe können Web 2.0 Technologien aber nicht sinnvoll unterstützen.

3.3 Phase 2: Logischer Entwurf der Lösungsarchitektur

Nachdem in Phase 1 das Geschäftsszenario und die Zusammenarbeit der Beteiligten defi-niert wurden, erfolgt in dieser Phase der logische Entwurf einer Lösungsarchitektur. DieserEntwurf ist noch keine Implementierung. Es erfolgt zwar eine Spezifikation der zu verwen-denden Schnittstellen, aber die eigentliche Implementierung der Schnittstellen erfolgt erstin der folgenden dritten Phase.

Die Schnittstellendefinition ist von zentraler Bedeutung für diese Phase. Je nach eingesetz-ter Technologiefamilie werden dafür die passenden technischen Werkzeuge verwendet.Der Katalogbetreiber bietet bereits eine Reihe von Schnittstellen für sein Katalogsystem.Der Hersteller muss spezifizieren, wie neue Aufforderungen zur Angebotsabgabe durchdie Zulieferer abgerufen werden können. Die Zulieferer müssen definieren, über welcheSchnittstelle sie über neue Aufforderungen zur Angebotsabgabe informiert werden wollen.

Für die technischen Abstimmungen kann wiederum das zentrale Projektwiki genutzt wer-den. Für eine einheitliche Ablage und Verwaltung der Schnittstellendefinitionen empfiehltsich hingegen aber der Einsatz eines spezialisierten Werkzeugs wie einer Service-Registry,etwa CentraSite. Jeder Beteiligte veröffentlicht seine Schnittstellenbeschreibungen, zumBeispiel in Form von WSDL Dateien, und der Hersteller führt diese Informationen in sei-ner internen Service-Registry zusammen, damit die eigene IT Abteilung für die spätereImplementierung diese nicht aus unterschiedlichen Systemen abrufen muss. Ein ähnlichesVorgehen findet für die zwischen den beteiligten Systemen auszutauschenden Nachrichtenstatt.

Die in Phase 1 erstellten Geschäftsprozessmodelle werden zunächst über eine automati-sierte Transformation in Entwürfe der logischen Darstellung auf Basis der BPMN 2 No-tation überführt. Dieser Entwurf wird weiter verfeinert und die Schnittstelleninformatio-

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nen werden in das logische Prozessmodel eingefügt. Auf Seite des Herstellers findet dieTransformation von konzeptionellem Geschäftsprozessmodel (EPK) hin zum Entwurf ei-nes logischen Prozessmodels (BPMN 2) mit dem ARIS Business Architect statt. Dieser istmit der Service-Registry CentraSite integriert und kann daher auf die Schnittstelleninfor-mationen direkt zugreifen.

Diese zweite Phase ist beendet, wenn alle für die Implementierung benötigten Informatio-nen zur Verfügung stehen. Ob dieser Status erreicht ist, wird durch die Projektleitung überdas Projektwiki ermittelt.

Beim Hersteller intern findet ebenfalls eine Freigabe statt. Dazu werden die logischenProzessmodelle im Prozessintranet veröffentlicht und die beteiligten Mitarbeiter könnenwiederum die integrierten Web 2.0 Technologien nutzen, um die Ergebnisse dieser Phasezu begutachten und zu hinterfragen.

3.4 Phase 3: Implementierung und Inbetriebnahme der Lösung

Im nächsten Schritt implementiert jede beteiligte Organisation die von ihr zur Verfügunggestellten Schnittstellen. An dieser Stelle ist ein genaues Projektmanagement nötig, damitdie Fertigungsstellungstermine möglichst synchronisiert werden und nicht ein einzelnerSchnittstellenanbieter das Gesamtvorhaben verzögert.

Neben der Implementierung der Schnittstellen muss der Hersteller noch die logischen Pro-zessmodelle (BPMN 2) implementieren. Im Fall des Produktportfolios der Software AGnutzt er dazu den webMethods Designer. Dieser kann ebenfalls auf die Service-RegistryCentraSite zugreifen. Der Einsatz von Web 2.0 Technologien im Rahmen der Implemen-tierung wird in diesem Beitrag nicht untersucht.

Nach der Implementierung erfolgt ein Testzyklus. Dieser lässt sich hervorragend durchWeb 2.0 Technologien unterstützen. So können Testpläne und detaillierte Testfälle in ei-nem Wiki von allen Beteiligten dokumentiert werden. Auch die aktuellen Testergebnisselassen sich über solche Werkzeuge zentral kommunizieren.

Nach Implementierung und Test wird der neue Prozess zur Angebotsabgabe in Betrieb ge-stellt. Für die Überwachung des laufenden Betriebs kann zum Beispiel ein Mashup erstelltwerden, das Kennzahlen aus unterschiedlichen Systemen auf einem Dashboard zusammenführt. Zu diesem Zweck verwendet der Hersteller das Werkzeug ARIS MashZone. Dieseskann sowohl auf klassische Datenquellen wie Datenbanken zugreifen, als auch RSS Feedsund XML Dateien auswerten.

3.5 Nutzung weiterer Web 2.0 Technologien im SCM Projekt

Die Diskussion der Einsatzmöglichkeiten von Web 2.0 Technologien im SCM Projektzeigt, dass bestimmte Technologien wie RSS Feeds, Notifications, Wikis, Foren, Ratings,Tagging und soziale Netzwerke an verschiedenen Stellen eingesetzt werden können. Sie

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dienen häufig dazu, Informationen zu verbreiten und über Änderungen zu informieren. Ab-gesehen von der Dokumentationserstellung erfolgt eine kollaborative Ergebniserstellungnur, wenn entsprechende Mechanismen direkt in den Werkzeugen für das Geschäftspro-zessmanagement vorgesehen sind. Der Einsatz von Wikis etwa ist nur dann sinnvoll, wenndadurch kein Medienbruch erzeugt wird.

Andere Technologien wie Blogs, Podcasts, mobiler Zugriff und offene Schnittstellen sindfür das SCM Projekt wenig relevant. Blogs könnten etwa durch das Projektmanagementeingesetzt werden, um alle Beteiligten regelmäßig über den aktuellen Stand zu informie-ren. Es ist allerdings fraglich, ob dies wirklich notwendig ist oder ob hier regelmäßigeTelefonkonferenzen nicht ein besseres Mittel sind. Der mobile Zugriff auf im SCM Pro-jekt erstellte Artefakte ist nur bedingt sinnvoll. Für die Projektleitung könnte es sinnvollsein, wenn Dashboards mit den aktuellen Kennzahlen zum Projektstand mobil abrufbarsind, um möglichst kurzfristig auf kritische Änderungen reagieren zu können. Im SCMProjekt werden von den Beteiligten eine Reihe von Schnittstellen zwischen IT Systemenentwickelt, aber für die Projektdurchführung selbst sind offene Schnittstellen nur bedingterforderlich.

4 Zusammenfassung

Geschäftsprozesse verbinden Menschen, damit diese gemeinsam für den Erfolg ihres Un-ternehmens arbeiten können. Dieser Fokus auf den Menschen spiegelt sich auch im Ge-schäftsprozessmanagement selbst wieder. Die Zusammenarbeit einer Vielzahl unterschied-licher Mitarbeiter ist notwendig, um dieses erfolgreich zu machen. Die heute verfügbarenWerkzeuge unterstützen diese Zusammenarbeit seit Jahren in Form von datenbankgestütz-ten Modellierungswerkzeugen, Prozessintranets und standardisierter Modellierungsspra-chen. Mit Aufkommen des Web 2.0 können sich diese Werkzeuge weiter entwickeln, in-dem sie Web 2.0 Technologien dort integrieren, wo es einen Mehrwert schafft. Das imArtikel diskutierte SCM Projekt zeigt aber, dass der Einsatz von Web 2.0 Technologien imGeschäftsprozessmanagement letztlich nur eine konsequente Weiterentwicklung vorhan-dener Werkzeuge ist und nicht zu einem völlig neuen revolutionierten Geschäftsprozess-management führt.

Literatur

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