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Innovations-Räume: Konzepte und Instrumente regionaler Innovationsförderung in Zeiten des demografischen Wandels Zeitschrift für innovative Arbeitsgestaltung und Prävention 10,- Euro | ISSN 2190-0485 Nr.2 | 2014 Bebildert mit Fotografien aus dem Red Dot Design Museum Essen

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Innovations-Räume: Konzepte und Instrumente regionaler Innovationsförderung in Zeiten des demografischen Wandels

Zeitschrift für innovative Arbeitsgestaltung und Prävention 10,- Euro | ISSN 2190-0485 Nr.2 | 2014

Bebildert mit Fotografien aus dem Red Dot Design Museum Essen

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inhalt

Innovations-Räume:Konzepte und Instrumente regionaler Innovationsförderung in Zeiten des demografischen Wandels

impressum

præview – Zeitschrift für innovative Arbeits-gestaltung und Prävention5. Jahrgang 2014 – ISSN 2190-04850Erscheinungsort DortmundHerausgeber: Dr. Rüdiger Klatt, GelsenkirchenVerlag: gaus gmbh – medien bildung politikberatungVerantwortlicher Redakteur:Kurt-Georg Ciesinger, DortmundOnline-Redaktion: Pia Rauball, DortmundLektorat: Ursula Meyer, BonnKorrektorat: Sabine SchollasDruck: Druckerei Schmidt GmbH & Co.KG, 44536 LünenLayout: Q3 design GbR, 44265 Dortmund, www.Q3design.de

Bezugsadresse /Kontakt: Redaktion præviewgaus gmbh – medien bildung politikberatungMärkische Straße 86-88, 44141 Dortmundfon 0231/47 73 79-30, fax 0231/47 73 [email protected], www.zeitschrift-praeview.de

Die Artikel dieser Ausgabe der præview basieren auf Ergeb nissen der Projekte- „DEMOCLUST – Regionales demografieorientiertes Per-

sonalmanagement in der Hightech-Industrie – ein neu -er Service des Cluster Sensorik“ (FKZ 01HH11069-72)

- „HanD/I – Innovationen im Handwerk durch gesundeUnternehmensstrukturen“ (FKZ 01HH11083-85)

- „inno.de.al“ – Innovationsallianzen im Handwerk vor

Bildnachweis: S.5 Die Hoffotografen Berlin (Ducki), So-WiBeFo (Krauß), Fotostudio Bauer Karlsruhe (Ihm), UweMühlhäusser (Miosga); S.7 Jolanda Alexiev (Engelmann,Merten); S.9 Regio Augsburg Wirtschaft GmbH (Dallner,Joel, Thiel); S.13 Fotostudio Daniel (Fuchs); S.15 Weich-selbaumer Univ. Passau (Jungwirth), Fotostudio Daniel(Stefanie Fuchs), Atelier Kaps (Barth); S.19 Chris Schuff(Jaschinski), Rolando de Sousa, Kaiserslautern (Osranek),Foto Weichert (Ritter), Dietmar Henle, Gruppenfoto); S.21Kordula Gierlich (Schuler), Fotostudio Bauer Karlsruhe(Baumann, Ihm), S.25 AOK Nds. (Fritzsche), Digitalis FotoGeorgsmarienhütte (Strehl); S.27 Mein Fotostudie RingCenter Berlin (Brandt), Peter Fuhrmann (Kunze); S.29Creative Fotografie Dorothea Schrader (Petsch), MalteScholz Fotografie (Warnke).

dem Hintergrund des demografischen Wandels“ (FKZ 01HH11079-82)

- „Strategische Allianz Demografiemanagement, Innova-tionsfähigkeit und Ressourceneffizienz am Beispiel derRegion Augsburg (ADMIRe A³)“ (FKZ 01HH11073-75)

- „DemoScreen: Kommunikation, Kooperation und Inno-vationsfähigkeit im demografischen Wandel“ (FKZ 01HH11088)

Die Projekte werden gefördert vom Bundesministeriumfür Bildung und Forschung und der Europäischen Union(Europäischer Sozialfonds) und im Rahmen des Förder-schwerpunktes „Innovationsfähigkeit im demografischenWandel“ vom Projektträger im Deutschen Zentrum fürLuft- und Raumfahrt e.V. „Arbeitsgestaltung und Dienst -leistungen“ betreut.

Impressum

Regional innovativ – die Potenziale vor Ort nutzen, um Veränderung anzustoßenManfred Miosga, Antje Ducki, Andreas Ihm, Alexander Krauß, Florian Welter

Eine Strategische Allianz als Motor für die Transformation des Wirtschaftsraums Augsburg zur Nachhaltigkeit

Sabine Hafner, Tobias Engelmann, Thomas Merten

Die strategische Allianz ADMIRe A³ in der UmsetzungAndreas Thiel, Kristin Joel, Lisa Dallner

Die Strategische Allianz: Ein Mitglied kommt zu WortInterview mit Dirk Dobermann

Eine „sinn“-volle Angelegenheit: Demografieberatung im Cluster Sensorik – sensibel und intelligent

Stefanie Fuchs

Vernetzt demografiefest – zukunftssichernde Kompetenzmodule für Hightech-KMUCarola Jungwirth, Loren Barth, Stefanie Fuchs

Stadt, Land, ArbeitsFluss: Der Unternehmensstandort als strategie-bestimmender Faktor bei der Fachkräftegewinnung

Alexander Krauß, Birgit Luger

Mit Strategie die Zukunft sichern Erschließung von Innovationspotenzialen im Handwerk durch regionale Allianzen

Albert Ritter, Regina Osranek, Elisabeth Jaschinski

Gute Netzwerkarbeit fordert gegenseitiges Vertrauen Vertrauensförderliche Maßnahmen in regionalen Unternehmernetzwerken

Andreas Ihm, Anja Baumann, Josef Schuler

Innovation regional – Praktiker kommen zu WortAndreas Ihm und Anja Baumann im Gespräch mit Elisabeth Jaschinski und Josef Schuler

Akteursallianzen: Wie durch neue Kooperation mehr Innovation in der Region entstehen kannAntje Ducki, Andrea Fritzsche, Alexander Strehl

Klein aber fein. Was Führung tun kann, damit Kleinbetriebe auch zukünftig am Markt bestehen

Antje Ducki, Martina Brandt, Daniela Kunze

„Es sind große Fußstapfen, in die man treten muss!“Tina Petsch und Ilka Warnke, Beraterinnen für Betriebliches Gesundheitsmanagement im Projekt HanD/I,

im Interview mit der Nachwuchsführungskraft Madeleine Foppe-Schlotthauer

„In ihrer Unterschiedlichkeit liegen Reiz und Stärke“Ein Fazit zum Schluss

Ilona Kopp

Art Directors’ CommentRed Dot Design Museum: Der „Innovations-Raum“

Das Red Dot Design Museum Essen

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Regional innovativ – die Potenziale vor Ort nutzen,um Veränderung anzustoßenManfred Miosga, Antje Ducki, Andreas Ihm, Alexander Krauß, Florian Welter Manfred Miosga, Antje Ducki, Andreas Ihm, Alexander Krauß, Florian Welter

Auf der regionalen Makrobene ist das Projekt„ADMIRe A³ – Strategische Allianz für De-mografie-Management, Innovationsförde-rung und Ressourceneffizienz am Beispielder Region Augsburg“ angesiedelt. Im Wirt-schaftsraum Augsburg wird eine komplexe Stra-tegie zum Aufbau neuer regionaler Governance-Strukturen zur integrierten Bearbeitung inei-nandergreifender gesellschaftlicher Megatrendsentwickelt. Der Wirtschaftsraum Augsburg istdabei Handlungs- und Programmraum zugleich.Mit der regionalen Wirtschaftsförderungsagen-tur Regio Augsburg Wirtschaft GmbH steht einleistungsfähiger Akteur bereit, auf verschiede-nen Ebenen in die Region zu wirken: Netzwerkeder Wissensproduktion und der Wissensvermitt-lung werden ebenso adressiert wie einzelne Un-ternehmen oder in der Region tätige Cluster-organisationen. Darüber hinaus wird eine län-gerfristig tätige strategische Allianz ausSchlüsselakteuren des regionalen Innovations-systems implementiert.

Ebenfalls mit starkem Bezug auf unterschied -liche regionalspezifische Problemlagen ist dasProjekt „DEMOCLUST – Regionales demo-grafieorientiertes Personalmanagement inder High-Tech-Industrie ein neuer Servicedes Cluster Sensorik“ auf der Mesoebene tätig.Durch die Erweiterung seines bisher auf Tech-nologie- und Marketingthemen ausgerichtetenDienstleistungsangebots unterstützt das Clus-termanagement (SPS Strategische PartnerschaftSensorik e.V.) der Sensorik-Industrie in Bayernseine Mitgliedsunternehmen mit einem Bera-tungsangebot zur Nutzung der Chancen desdemografischen Wandels. Insbesondere stehtdie Demografieberatung im ständigen Dialogmit den Betrieben über deren Personalentwick-lungspraxis. Besondere Bedeutung hat die Ein-bindung aller relevanten regionalen Akteureund Beratungsangebote. Die zahlreichen be-trieblichen Good-Practice-Beispiele zeigen, dassunterschiedliche regionale Kontexte der Unter-

mografischen Wandels erfolgreich sind, wennsie auf unterschiedlichen Ebenen ansetzen.Wenn es gelingt, Wirtschaftsstrukturen und dasHandeln etablierter Institutionen und einzelnerBetriebe aufeinander abzustimmen, können diePotenziale einer Region gestärkt und Innova-tionen dauerhaft etabliert werden.

nehmen differenzierte Strategien erfordern. Sosind z.B. im Bayerischen Wald die Herausfor-derungen der Fachkräftegewinnung deutlichandere als in der Stadt Regensburg.

Auch auf der überbetrieblichen Mesoebene wer-den im Verbundprojekt „Inno.de.al – Innova-tionsallianzen im Handwerk vor dem Hinter -grund des demografischen Wandels“ unter-schiedliche regionale Netzwerkformen erprobt.Zum einen wird mit einem bestehenden Netz-werk aus Unternehmen der Sanitärbranche inBaden-Württemberg und Nordfranken gearbei-tet, ein weiteres Netzwerk ist im Saarland an-gesiedelt. Die Netzwerke erleichtern den Zugangzu den Betrieben und die Bildung der Allianzen.Unterschiede in der Netzwerkarbeit resultierenhier zum einen aus der regionalen Verortung,aber auch aus der branchenspezifischen Zu-sammensetzung der Netzwerke.

Das Verbundprojekt „HanD/I – Der demogra-fische Wandel im Handwerk: Innovationendurch gesunde Unternehmensstrukturen“entwickelt auf der Mikroebene einzelner Be-triebe innovative Lösungen für die Bewältigungdes demografischen Wandels. In dem Projektschließen sich Institutionen wie die Handwerks-kammer Osnabrück – Emsland – GrafschaftBentheim und die AOK Niedersachsen unterwissenschaftlicher Begleitung der Beuth Hoch-schule für Technik in Berlin in einer Akteursal-lianz zusammen und unterstützen gemeinsamBetriebe darin, die Gesundheit der Beschäftigtenzu fördern und damit die Innovationskraft desBetriebs zu stärken. In den Betrieben werdenAkteursallianzen zwischen Unternehmerinnen/Unternehmern und Mitarbeiterinnen/Mitarbei-tern initiiert, in einem überbetrieblichen Netz-werk werden regionale Interessen diskutiert undgemeinsam weiterentwickelt.

Alle vier Verbundprojekte setzen auf die Kraftund Wirkung von Innovationen. Dabei dreht essich nicht nur um Neuerungen bei Prozessen,Produkten und Dienstleistungen in Unterneh-men, sondern auch um soziale Innovation wiedie Etablierung neuer Kooperationsformen, neueHandlungsstrukturen oder neue Formen despartnerschaftlichen Lernens in Netzwerken. Dievielfältigen Initiativen machen deutlich, dassregionale Strategien zur Bewältigung des de-

Der demografische Wandel in Deutschland verändert unsere Arbeitswelt tiefgreifend. Unternehmen und Betriebe

müssen sich mit einem knapperen Fachkräfteangebot und alternden Belegschaften auseinandersetzen. Gleich-

zeitig ergeben sich durch den demografischen Wandel zahlreiche Innovationsimpulse: Nicht nur Produkte und

Dienstleistungen müssen den veränderten Bedürfnissen einer alternden und gleichzeitig bunter werdenden Be-

völkerung angepasst werden, auch die internen Strukturen und Prozesse sind betroffen.

Die Anforderungen an Arbeitsplatzgestaltungund Gesundheitsschutz, an Qualifizierung undWeiterbildung, an die Aufrechterhaltung undSteigerung der Innovationsfähigkeit verändernsich mit den Altersstrukturen der Belegschaftenund der Kunden. Insbesondere kleine und mitt-lere Unternehmen sind auf Netzwerke, Clusterund dazugehörige Unterstützungsstrukturenangewiesen, um diese Herausforderungen pro-aktiv zu gestalten und Chancen zu nutzen.

„Wir werden älter, weniger und bunter“ gilt zwargrundsätzlich überall in Deutschland, jedoch inunterschiedlicher Intensität. So wachsen man-che Metropolen relativ stark und weisen sogarwieder mehr Geburten als Sterbefälle auf, wäh-rend andere Städte und Regionen, insbesonderein den ländlichen Räumen, schrumpfen und al-tern. Dies ist ein Grund, sich dem demografi-schen Wandel in einer regionalen Perspektivezu nähern, die spezifischen regionalen Heraus-forderungen zu erfassen und Strategien zu ent-wickeln, die auf die konkreten regionalen Ver-hältnisse zugeschnitten sind.

Regionale Wege zu Innovationen fürDemografiefestigkeitEine regionale Herangehensweise empfiehlt sichauch deshalb, weil über die Region gute Zu-gänge zu den Unternehmen und Betrieben ge-funden werden können. Kleine und mittlere Un-ternehmen sowie Handwerksbetriebe identifi-zieren sich in der Regel mit ihrer Region. Siesind vor Ort in vielfältige soziale Beziehungeneingebunden und fühlen sich mitverantwortlichfür die Entwicklung ihrer Region. RäumlicheNähe erleichtert Kontaktmöglichkeiten und dieBildung von Vertrauen auch über Unterneh-mensgrenzen hinweg. Nicht selten entstehenin berufsbezogenen Verbünden in Regionenvielfältige Kontakte, die den Erfahrungsaus-tausch erleichtern und zur raschen Entwicklungund Verbreitung von Innovationen beitragen.Diese Eigenschaft von Regionen als Interakti-

ons- und Identifikationsraum kann hilfreichsein, um Innovationsprozesse zur Bearbeitungder demografischen Herausforderungen anzu-stoßen. Die Identifikation mit der eigenen Re-gion erleichtert gemeinschaftliches Handelnund stärkt die Motivation der Akteure.

Politik, Wirtschaft und Wissenschaft organisie-ren zunehmend auf regionaler Ebene neue For-men der Kooperation. Clusterorganisationen ha-ben regionale Schwerpunkte, wirtschaftlicheNetzwerke formieren sich und öffentliche Wirt-schaftsförderungen arbeiten verstärkt auf re-gionaler Ebene mit wirtschaftlichen und wis-senschaftlichen Akteuren zusammen. Regionenkönnen über diese Akteursgemeinschaften eineeigenständige Handlungsfähigkeit entfalten undzu Impulsgebern und Moderatoren der notwen-digen Innovationen und Anpassungsprozessewerden. Zudem legt die staatliche Politik ver-mehrt Programme auf, die auf regionaler Ebenewirksam werden. Die Regionen werden damitzu einem Programmraum für eine gezielte undsystematische Förderung von Innovationen inRichtung Demografiefestigkeit. Dort, wo es leis-tungsfähige regionale Einrichtungen zur Wirt-schaftsförderung gibt, können komplexereHandlungsansätze gewählt werden, die den de-mografischen Wandel im Kontext mit anderenHerausforderungen bearbeiten.

Das Bundesministerium für Bildung und For-schung hat im Förderschwerpunkt „Innovati-onsfähigkeit im demografischen Wandel“ in derFokusgruppe „Regionale Aspekte des demo-grafischen Wandels“ die Potenziale regionalerZugänge mit Blick auf Strategien zur Bewälti-gung des demografischen Wandels gebündelt.In den vier Verbundprojekten wird das Themademografischer Wandel in der Arbeitswelt regi -onal unterschiedlich aufgegriffen und gestaltet.Dabei können Makro-, Meso- und Mikro-Akti-onsebenen unterschieden werden:

Die Autorin, die AutorenManfred Miosga, Antje Ducki, Andreas Ihmund Alexander Krauß sind die Leiter der Pro-jekte der Fokusgruppe „Regionale Aspekte desdemografischen Wandels“. Florian Welter be-treut die Fokusgruppe seitens des Metapro-jekts DemoScreen.

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Die Anpassungsfähigkeit der Unternehmen, ih-rer Beschäftigten und der unterstützenden re-gionalen Institutionen an alle drei Megatrendsist ausschlaggebend für die künftige Leistungs-fähigkeit der regionalen Wirtschaftsräume undderen Attraktivität als Lebensraum. Zudem müs-sen die gefundenen Lösungen ernsthafte Alter -nativen zum Raubbau an den natürlichen Res-sourcen beinhalten, sonst sind sie nicht dauer-haft kompatibel mit den planetaren Leitplanken.Für die Bearbeitung dieser drei Megatrends undfür die Entwicklung von strategischen Hand-lungsansätzen erweist sich die regionale Ebeneals besonders fruchtbar. Sie ist die geeigneteMaßstabsebene, in der sich Beziehungen vonAkteuren aus F & E, Unternehmen, Bildungs -einrichtungen, Technologietransfer, Zivilgesell-schaft und politischen Institutionen räumlichverdichten. Die „Region“ ist eine geeigneteHandlungsebene für soziale und technologischeInnovationen und neue Kooperations- und Go-vernanceformen, die das Beschreiten einesnachhaltigen Entwicklungspfads ermöglichen.

Wenn der demografische Wandel keine Bedro-hung für die Innovationsfähigkeit der Gesell-schaft darstellen soll und wir dauerhaft mitsehr viel weniger natürlichen Ressourcen aus-kommen müssen, ohne dabei an Lebensqualitäteinzubüßen, dann heißt es strategisch und mitLangfristorientierung zu handeln. Die RegionAugsburg eignet sich für diese Transformations -aufgabe, da hier bereits Erfahrungen im Demo-grafiemanagement, in der Innovationsförderungund mit F&E zur Steigerung der Ressourcenef-fizienz vorliegen. Jedoch werden diese Aufgabennoch sektoral wahrgenommen und nicht alsganzheitliche Aufgabe. Dies stellt den Auftragder strategischen Allianz dar.

Eine Strategische Allianz als Motor für die Transformationdes Wirtschaftsraums Augsburg zur NachhaltigkeitSabine Hafner, Tobias Engelmann, Thomas Merten

Die Aufgabe der strategischen Allianz im Wirtschaftsraum Augsburg ist es, die großen Herausforderungen unse-

rer Zeit – demografischer Wandel, Ressourceneffizienz und Innovationsfähigkeit – ganzheitlich zu bearbeiten.

Das Forschungsprojekt adressiert die drei großen Megatrends und bringt sie in Verbindung mit Ansätzen einer

strategischen, auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Regionalentwicklung: erstens der demografische Wandel mit

seinen vielfältigen Auswirkungen auf Lebens- und Arbeitswelten, zweitens der ökonomische Strukturwandel zur

Wissensgesellschaft und die daraus resultierenden wachsenden Anforderungen an die Innovationsfähigkeit und

drittens die zunehmende Notwendigkeit zum sparsamen Umgang mit natürlichen Ressourcen.

Kurz gesagt ist eine strategische Allianz eineauf Dauer angelegte, formalisierte Kooperationverschiedener Organisationen und Personen.Strategische Allianzen unterscheiden sich vonNetzwerken dadurch, dass sie in einem größerenAusmaß das Ergebnis und die Ebene zielgerich-teten Handelns sind und häufiger über formu-lierte Ziele, eine formale Struktur, klare Rollenund eine eigene Identität verfügen (Sydow1995). Dementsprechend haben wir der strate-gischen Allianz ADMIRe A3 eine verbindlicheOrganisationsstruktur gegeben und diese mittelsLeitlinien, einer Vision und Zielen verpflichtendan Nachhaltigkeitszielen ausgerichtet. Bei allergewollten Vielfalt der Mitglieder ist uns wichtig,dass eine gemeinsame langfristige und zielge-richtete Agenda ihr Handeln leitet, die der nach-haltigen Entwicklung der Region und der inte-grierten Bearbeitung der drei Megatrends ver-pflichtet ist.

Nachhaltigkeitsziele stehen oft im Konflikt zu-einander. Die Umsetzung von Nachhaltigkeits-strategien erfordert, unterschiedliche Akteureund Interessen aus verschiedenen Sektoren undHandlungs- und Steuerungsebenen zu koordi-nieren (Newig & Voß 2010). Darauf reagiert un-ser Modell einer strategischen Allianz. RegionaleSteuerung mittels strategischer Allianzen – po-litikwissenschaftlich im Bereich „regional Go-vernance“ verortet – bindet zahlreiche formaleund informelle Institutionen aus unterschiedli-chen gesellschaftlichen Teilsystemen (Politik,Verwaltung, Wirtschaft, Zivilgesellschaft) ein.„So lässt sich Governance letztlich als gesell-schaftliche Selbstregulierung verstehen, dienicht ‚von außen’ auf ‚die Gesellschaft’ wirkt,sondern Ausdruck und Teil des gesellschaftlichenWillensbildungs- und Steuerungsprozesses ist“(Newig & Voß 2010, S. 241).

Für den langen Weg der Transformation wurdevon uns ein Instrumentenset entwickelt, wel-ches sowohl eine inhaltliche Gestaltungskom-petenz als auch eine Steuerung der Allianz er-möglicht. Aus unserer Sicht kann eine Transfor -mation nur aus dem Zusammenspiel einer aufNachhaltigkeit ausgerichteten Agenda, effek-tiver Steuerungsstrukturen und gemeinsamenÜberzeugungen funktionieren. Die strategischeAllianz ADMIRe A3 versteht sich daher auch alsWertegemeinschaft mit geteilten Überzeugun-gen – keinesfalls als Zweckgemeinschaft. Un-ternehmen, Institutionen und Menschen, die inder Allianz mitwirken, tun dies freiwillig undaus Überzeugung – was aber nicht bedeutet,dass Interessen und Ziele aller Mitglieder immervöllig übereinstimmen. Auch strategische Alli-anzen brauchen Strukturen, in denen die Mit-glieder Vertrauen aufbauen und sich verstän-digen können, um zu Gemeinsamkeiten zu ge-langen. Hier sind aber nicht Macht & Hierarchie,sondern Vertrauen & Verständigung, Überzeu-gungen & Ziele die wichtigsten Grundlagen fürdie Führung, Arbeit und Wirkung der strategi-schen Allianz. Die Strukturen, die wir für diestrategische Allianz ADMIRe A3 aufgesetzt ha-ben, tragen diesen Prinzipien Rechnung. (s. Abb.)

Das oberste „Gremium“ ist das Plenum, demjedes Mitglied angehört. Im Plenum finden derInformationsaustausch und die Vernetzung zumThema Nachhaltigkeit statt. Hier werden Ab-stimmungen zur strategischen und inhaltlichenAusrichtung der Allianz getroffen. Das Plenumentwickelt neue kreative Ideen für eine nach-haltige Entwicklung. Entscheidungen werdennach dem sogenannten Konsent-Prinzip getrof-fen: Bereits wenn es keine schwerwiegendenund begründeten Einwände mehr gibt, ist eineEntscheidung getroffen.

Die Autorin, die AutorenDr. habil. Sabine Hafner, Geographin, forschtan der Universität Bayreuth zu nachhaltigerStadt- und Regionalentwicklung. [email protected]

Diplom-Soziologe Tobias Engelmann ist Projektleiter, Diplom-Ingenieur Thomas MertenGeschäftsführer am Faktor 10 – Institut fürnachhaltiges Wirtschaften gGmbH. [email protected]

Struktur der strategischen Allianz ADMIRe A3

Der Strategiekreis bereitet Entscheidungen zurstrategischen und inhaltlichen Ausrichtung derstrategischen Allianz und der Projekte vor.

Die inhaltliche Arbeit geschieht in den Projekt-teams. Hier werden Projektideen entwickelt undumgesetzt.

Die Geschäftsstelle hat eine organisatorischeFunktion. Sie unterstützt die Arbeit der Gremien,organisiert die Entscheidungsfindung und be-treut die interne Kommunikation sowie die Öf-fentlichkeitsarbeit.

Begleitet werden diese Strukturen durch klareZiele und verschiedene Instrumente zur Planungund Umsetzung von Projekten sowie zur Über-prüfung des Grades der Zielerreichung. Das Zu-sammenspiel zwischen dem Auftrag der Trans-formation, den Strukturen, der Steuerung, derinhaltlichen Arbeit und der Freiwilligkeit undInterdisziplinarität der Akteure ist die große He-rausforderung auf dem notwendigen Weg zueiner nachhaltigen Region.

Unsere Forschung zeigte uns einerseits, dass dieIdee, die Transformation zur Nachhaltigkeit aufregionaler Ebene anzugehen, großen Zusprucherntete. Andererseits konnte die Installierungeiner strategischen Allianz als formalisiertesNetzwerk in einer Region mit zahlreich vorhan-denen Governance-Arenen nicht so zügig vo-ranschreiten wie ursprünglich gedacht, da dieAkteure in vielfältige andere regionale Netz-werke eingebunden und dadurch zeitlich starkbelastet sind.

LiteraturNewig, J. & Voß, J.-P. (2010). Steuerung nachhaltiger Entwicklung.

In: R. Steurer & R. Trattnigg (Hrsg.), Nachhaltigkeit regieren:Eine Bilanz zu Governance-Prinzipien und -Praktiken, S. 239-258. München: oekom.

Sydow, J. (1995). Strategische Netzwerke. Evolution und Orga-nisation. 3. Nachdruck. „Neue betriebswirtschaftliche For-schung“, Bd. 100. Berlin: Gabler.

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Projektgruppe CSR-Barometer

Projektgruppe Akademie

Projektgruppe Think Tank

Projektgruppe Lifeguide

Projektgruppe …

ADMIRe A³ Plenum

Geschäftsstelle

Sabine Hafner, Tobias Engelmann, Thomas Merten

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Der demografische Wandel äußert sich ökono-misch in der zunehmenden Bedeutung derFachkräftesicherung in der Region, aber auchin den Herausforderungen und Chancen, dieeine alternde und buntere Gesellschaft mit sichbringen. Die regionalen Akteure haben erkannt,dass sich alle Bereiche der Wirtschaft und auchder Gesellschaft systemisch nachhaltig auf -stellen müssen, um auch in Zukunft ein starkerWirtschaftsstandort zu bleiben und gesellschaft-lichen Wohlstand zu bewahren.

Diese Herausforderungen im Blick, hat sich imApril 2013 die strategische Allianz ADMIRe A³gegründet. Die Allianz besteht aus 27 Mitglie-dern mit Vertretern aus Verwaltung, Kammern,regionalen Wirtschaftsverbänden und Clustern,Hochschulen, Forschungs- und Bildungsein -richtungen, Technologietransfereinrichtungensowie aus Akteuren bürgerschaftlichen Engage -ments. Gemeinsam arbeiten sie an der Umset-zung von Strategien und Maßnahmen für nach-haltiges Wirtschaften in der Region A³.

Die strategische Allianz ADMIRe A³ (www.ad-mire-a3.de) schöpft für die konkrete Umsetzungaus einer Toolbox mit 100 Instrumenten zur

Die strategische Allianz ADMIRe A³ in der UmsetzungAndreas Thiel, Kristin Joel, Lisa Dallner

Der Wirtschaftsraum Augsburg (A³) umfasst das Oberzentrum Augsburg sowie die Landkreise Augsburg und

Aichach-Friedberg. Der Standort wird durch produzierendes Gewerbe in den Technologiefeldern Faserverbund-

technologie/CFK, Mechatronik und Automation, Luft- und Raumfahrt, Umwelttechnologie sowie Informations-

und Kommunikationstechnologie geprägt. Neben einem breiten Mittelstand sind auch global agierende Groß-

konzerne in der Region vertreten. Die Region entwickelt sich aktuell zu einem Zentrum für Ressourceneffizienz,

besonders in Bezug auf wissenschaftliches Know-how und technologische Lösungen.

inhalt lichen Weiterentwicklung der Region.Ausge suchte Instrumente wurden von den Al-lianzmitgliedern zu einem Aktionsplan zusam-mengestellt. Diese Instrumente können nachEinschätzung der Akteure kurzfristig umgesetztwerden, da sie gut an bestehende Aktivitätenin der Region anknüpfen. Der Aktionsplan stelltsomit ein regionales Handlungskonzept mit In-strumenten dar, welche nun in einzelnen Pro-jektgruppen, bestehend aus den Mitgliedern derAllianz, umgesetzt werden. In der weiteren Ar-beit soll der Aktionsplan um weitere Instru-mente aus der Toolbox ergänzt werden. EineAuswahl an Instrumenten wird im Folgendenvorgestellt.

CSR-BarometerDer Begriff Corporate Social Responsibility (CSR)umschreibt den freiwilligen Beitrag der Wirt-schaft zu einer nachhaltigen Entwicklung, dieüber die gesetzlichen Forderungen hinausgeht.CSR steht für verantwortungsvolles unterneh-merisches Handeln am Markt, in ökologisch re-levanten Aspekten und bei mitarbeiterspezifi-schen Angelegenheiten. Für Unternehmen istgesellschaftliche Verantwortung von steigender

Bedeutung, um im Wettbewerb mit anderenUnternehmen, auch um die besten Fachkräfte,gut aufgestellt zu sein. Gerade kleine und mit-telständische Unternehmen benötigen Unter-stützung dabei, wie sie CSR umsetzen können.Hier wird mit dem CSR-Barometer angesetzt:Ein anonymer Online-Selbsttest für KMU fragtderen CSR-Aktivitäten ab, bewertet diese (auchmittels regionalem Benchmarking) und gibtHandlungsempfehlungen zu möglichen CSR-Maßnahmen. Ziel ist es, Unternehmen für dieMöglichkeiten unternehmerischer Verantwor-tung zu sensibilisieren, einen praktischen Serviceanzubieten und eine Verknüpfung mit passen-den regionalen Aktivitäten zu erreichen.

AkademieDie ADMIRe-Akademie stellt ein umfassendesFortbildungsprogramm zu den ADMIRe-ThemenDemografie, Ressourceneffizienz und Innova-tion und deren Wechselwirkungen für Akteureaus Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaftdar. In dem fach- und institutionenübergrei-fenden Weiterbildungsforum sollen bestehendeAngebote zugänglich gemacht und interdiszi -plinär vernetzt werden. Dabei steht das Teilenund gemeinsame Nutzen von Wissen und Er-

fahrungen im Vordergrund. Derzeit engagierensich bereits lokale Bildungseinrichtungen undzwei Technologiecluster in der Entwicklung vonUmsetzungsvorschlägen für eine solche Aka-demie. Dabei werden bestehende regionale An-gebote und die Bedarfe der Zielgruppen be-rücksichtigt, um die Erfolgschancen der Aka-demie zu vergrößern.

Lifeguide Region AugsburgDer Lifeguide (lifeguide-augsburg.de) ist ein Ak-tivierungsportal für nachhaltiges Leben in undum Augsburg. Die smartphonefähige Verbrau-cher-Onlineplattform bietet mit Adressen nach-haltiger Produzentinnen und Produzenten bzw.Dienstleisterinnen und Dienstleister Rat- undTatmöglichkeiten. Karten verknüpfen Themenund Akteure verschiedener Kategorien wie Ein-kaufen, Ressourcen, Mobilität und Machen.Repor tagen stellen interessante Akteure inmonat lichen Schwerpunkten vor, eine Commu-nity ermöglicht Kommentare, Tipps und Bewer-tungen. Erarbeitet im Rahmen der LokalenAgenda 21 Augsburg und unter Trägerschaftder Bürgerstiftung Augsburg ist jetzt die neueVersion gestartet, getragen vom eigens gegrün-deten Verein Lifeguide Region Augsburg. DerLifeguide behandelt Ressourceneffizienz, de-mografischen Wandel und Innovationen unddient als wichtige Plattform zur Vermittlungvon Nachhaltigkeitswerten.

Die Allianzmitglieder arbeiten neben den in-haltlichen Projektideen auch an Strukturen unddaran, die Allianz als Kooperationsform zu eta -blieren, sich eigene Ziele sowie eine Verfassungzu geben. Die Verfassung, die Ziele, das Leitbildund die Form der Zusammenarbeit – dies sind

Elemente des Aufbaus und des Managementsder strategischen Allianz, zusammengefasst ineinem Maßnahmenplan, der nun gemeinsammit den Allianzmitgliedern strukturell bzw. or-ganisatorisch umgesetzt wird.

In einem ersten wichtigen Schritt führten dieProjektpartner im Projekt ADMIRe A³ eine Be-standsaufnahme aller relevanten Akteure, Netz-werke, Verbände, Kammern, Unternehmen undForschungs- und Bildungseinrichtungen vor Ortund ihrer Aktivitäten mittels einer Stakeholder-Analyse durch. Anschließend wurde eine Work-shop-Reihe eingerichtet, in der die 27 Vertreterverschiedener regionaler Einrichtungen zusam-menkamen, um Wege zum nachhaltigen Wirt-schaften in A³ zu diskutieren. Ein wichtiger Mei-lenstein der Workshop-Reihe war die offizielleGründung der strategischen Allianz. Die Allianzkonnte mithilfe des Maßnahmenplans bereitseine gemeinsame Vision für das Jahr 2030 sowieZiele und ein Leitbild erarbeiten. Ebenso konntensich die Allianzmitglieder auf eine Verfassungeinigen, die die Ziele, Aufgaben und die Zusam-menarbeit der Allianz regelt. Mit diesen Fort-schritten konnte der Aufbau der strategischenAllianz gefestigt werden.

Außerdem arbeitet die Allianz derzeit an derEinrichtung eines gemeinsamen Wissensma -nagements sowie an der Benennung konkreterjährlicher Ziele und Aktivitäten in Form einerBalanced Scorecard. Die verschiedenen Ma -nagementmaßnahmen sind eingebettet in denRADAR-Management-Zyklus nach dem Sus -tainable-Excellence-Ansatz. Danach sollennachhaltige Managementansätze nach einemgleichartigen Schema eingeführt werden:

Andreas Thiel, Kristin Joel, Lisa Dallner

Schritte und Maßnahmen werden geplant, dannumgesetzt, deren Fortschritte bewertet undErgeb nisse wie z.B. eine verabschiedete Ver -fassung oder ein Leitbild erzielt. Anschließendbeginnt ein neuer Zyklus. Dieser wird stetigdurchgeführt, um hierdurch nach und nach undin einem reflektierten und gesteuerten Lernpro -zess eine Allianz als Organisation aufzubauenund zu festigen.

Die Allianzmitglieder arbeiten sowohl an Pro-jekten zur Weiterentwicklung der Region inRichtung Nachhaltigkeit als auch an Maßnah-men zur Verstetigung der Allianz selbst. DurchVerknüpfung des Projektes und der Allianz -mitglieder im regionalen Netzwerk der Nach-haltigkeitsaktivitäten in A³ können der Erfolgder strategischen Allianz ADMIRe A³ verstetigtund Synergiepotenziale in der Region bessergenutzt werden.

Der Autor, die AutorinnenAndreas Thiel ist Diplom-Geograph undGeschäfts führer der Regio Augsburg Wirt-schaft GmbH.

Dr. Kristin Joel ist promovierte Diplom-Volkswir tin und arbeitet als Projektleiterin im Projekt ADMIRe A³. [email protected]

Lisa Dallner ist Diplom-Geographin undProjekt managerin im Projekt ADMIRe A³. [email protected]

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Herr Dobermann, warum sind Sie Mitgliedder Strategischen Allianz ADMIRe A³ gewor-den? Welche Erwartungen verknüpfen Sie mitIhrer Mitarbeit?

Es ist uns als imu augsburg ein starkes Anliegen,Verantwortung für die Entwicklung der RegionAugsburg zu übernehmen. Gleichsam möchtenwir als Mitglied der strategischen Allianz an derMöglichkeit teilhaben, diese Entwicklung aktivmitzugestalten.

Aber warum ist denn aus Ihrer Sicht eine Ini-tiative wie die strategische Allianz ADMIReA³ überhaupt notwendig, um die Entwicklungder Region Augsburg voranzutreiben?

Im Wirtschaftsraum Augsburg gibt es eine Viel-zahl von Initiativen, die allesamt der kontinu-ierlichen Entwicklung der Gesamtregion dienen.Aus meiner Sicht sind viele dieser Initiativenoftmals nicht bekannt oder nicht abgestimmtund gefühlt wenig vernetzt. Das Zusammen-laufen der beteiligten Akteure und aller nötigenInformationen kann über die strategische Alli-anz möglich werden, um in der Folge mehrSchlagkraft und eine stärkere Zielgerichtetheitzu erlangen.

Sie bringen sich mit einem Projekt zum Inno -vations-Coaching in die strategische AllianzADMIRe A3 ein. Stellen Sie uns kurz dar, wasSie dort machen?

Das Innovations-Coaching ist ein methoden-gestütztes Coaching-Angebot, mit dem Unter-

Die Strategische Allianz: Ein Mitglied kommt zu WortInterview mit Dirk Dobermann

Einer der für das Gelingen einer innovativen strategischen Allianz so wichtigen Pioniere des Wandels ist Dirk

Dober mann von der imu augsburg GmbH & Co. KG, einem Institut für Organisationsentwicklung und Innova-

tions-Coaching. Der Arbeitsschwerpunkt des imu liegt auf der Entwicklung von Organisationen und Regionen.

Dort unterstützt das Team die natürliche Entwicklung der Evolution in Richtung Vielfalt, Komplexität und

Vernetzung, deckt Entwicklungshemmnisse auf und hilft, Entwicklungsblockaden zu lösen.

Anliegen des imu für Organisationen und Regionen ist es,

æ dass die beteiligten Menschen ihre Potenziale entfalten und sinnvoll einbringen können,

æ dass die innere Präsenz über Gefühle, Denken, Muster und Schatten wächst,

æ dass eine innere Verbundenheit entsteht, die in ein großes Wir mündet und

æ dass sich durch stimmige Produkte, Strukturen und Prozesse ein nachhaltiger Erfolg einstellt.

nehmen ihre Leistungs-, Veränderungs- und In-novationsfähigkeit optimieren können. Im Vor-dergrund des Innovations-Coachings steht derKompetenzaufbau bei Menschen und Organi-sationen für einen gesunden und erfolgreichenUmgang mit Veränderungen und Innovationenauf allen Arbeitsebenen. Dies betrifft das eigeneVerhalten, die persönlichen Einstellungen, dieKommunikations- und Führungsfähigkeiten aufder individuellen Ebene sowie die Unterneh-menskultur, die Werte und die Produkte, Pro-zesse und Strukturen auf der kollektiven Ebeneeiner Organisation. Innovations-Coaching zeich-net sich dadurch aus, dass alle genannten Be-reiche gleichzeitig bearbeitet werden. Das be-reits erfolgreich in der Region A³ etablierteCoaching-Angebot der imu augsburg GmbH &Co. KG kann im Rahmen des ADMIRe-Prozessesgemeinsam mit möglichen Projektpartnern kon-tinuierlich weiterentwickelt und durch gezielteAspekte wie die demografiegerechte Unterneh-mensführung erweitert werden. VertiefendeThemenschwerpunkte können hierbei Fachkräf-tesicherung, lebenslanges Lernen, generations-übergreifende Zusammenarbeit und Gesund-heitsförderungsmaßnahmen sein.

Ihr Projekt ist – neben einigen anderen imADMIRe-Zusammenhang – ja ein Beitrag, denWirtschaftsraum Augsburg nicht nur ein biss -chen weiterzuentwickeln, sondern grundle-gend in Richtung Nachhaltigkeit zu transfor -mieren. Von der strategischen Allianz wurdeeine entsprechende Vision entwickelt. Wiesehen Sie die Umsetzungschancen? Und fin-den Sie die Zielsetzung motivierend?

Die angedachten und teilweise schon in derUmsetzung befindlichen Projekte geben sicher-lich vielversprechende Impulse in RichtungNachhaltigkeit. Entscheidend wird es sein, in-wieweit diese Impulse in konkret umgesetzte,langfristig und dauerhaft „lebende“ Projekteweiterentwickelt werden. Es besteht die Gefahr,dass der gemeinsame Antrieb der strategischenAllianz mit Auslaufen der geförderten Projekt-laufzeit deutlich abnimmt. Hier gilt es, weitereAnreize zu schaffen, um die Attraktivität fürdie Mitglieder weiter hoch zu halten. Aus meinerSicht wäre es zwingend erforderlich, Vertreterder ortsansässigen Unternehmen für die Arbeitder strategischen Allianz zu begeistern und aktiveinzubinden. Darüber hinaus muss über An-schubfinanzierungen für die Projekte im Rahmender strategischen Allianz nachgedacht werden.

Dabei geht es ja nicht zuletzt auch um Ko-operationskultur. Wie muss diese aus IhrerSicht aussehen, damit eine strategische Alli-anz erfolgreich arbeiten kann?

Es braucht eine Kultur des Miteinanders, eineKultur von gegenseitigem Verständnis und Ver-trauen. Eine strategische Allianz funktioniertnoch besser, wenn die Vision antreibt und da-raus ein gemeinsam geteiltes Wir-Gefühl ent-steht. Das bedeutet nicht, dass es dazu immergemütlich sein muss. Ganz im Gegenteil. Einlebendiger Dialog heißt auch das offene Aus-sprechen kontroverser Themen und Befindlich-keiten. Gut moderiert, dazu lösungs- und ziel-orientiert fokussiert, sind dies Elemente eineraktiven Kooperationskultur.

Worin sehen Sie die bisherigen Erfolge derstrategischen Allianz?

Erfolge sind die gegenseitige Vernetzung, dergemeinsame Wunsch, sich für die Entwicklungder Region zu engagieren. Aus den Aktivitätender Allianz ist eine Vielzahl von vielversprechen-den Projektimpulsen entstanden, die allesamtdas Potenzial haben, einen wichtigen Beitragfür die langfristige Entwicklung der Region lie-fern zu können.

Was sollte die strategische Allianz in dennächsten Monaten leisten?

Die Geschwindigkeit weiter hoch halten. Mög-lichkeiten gemeinsam entwickeln, die einzelnenProjekte ins Leben und zum Selbsttragen zubringen. Dabei gemeinsam überlegen, welcheUnterstützung es dazu braucht. Sofern Blocka-den und Hemmnisse innerhalb der Allianz wir-ken, ist zu empfehlen, diese anzusprechen undoffen damit in den Dialog zu gehen.

Herr Dobermann, vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führten Sabine Hafner von derUniversität Bayreuth sowie Tobias Engelmannund Thomas Merten von Faktor 10 – Institutfür nachhaltiges Wirtschaften gGmbH.

intærview

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13præview Nr. 2 | 201412

Inspiration für die Demografieberater warendabei die Prinzipien der Branche: Sensoren wir-ken in der Technik wie Sinnesorgane, sie fühlen,steuern, regeln, messen und lassen Technik sen-sibel und intelligent werden. Demografiebera-tung im Cluster Sensorik ist daher eine „sinn“-volle Angelegenheit.

In der Clusterregion, insbesondere in Nieder-bayern und der Oberpfalz, schlägt der demo-grafische Wandel mittlerweile durch: Älterequalifizierte Mitarbeiter scheiden aus, neue Be-werber für die Branche nehmen ab. Absolventenund Fachkräfte werden zudem von Großunter-

Technologie, Marketing und Innovationsmanagement – auf diesen Gebieten unterstützt die Strategische Part-

nerschaft Sensorik e.V. (SPS) bereits seit Beginn der Netzwerkgründung im Jahr 2007 als der Ansprechpartner

für die Hochtechnologie Sensorik Mitglieder und Partner im bayerischen Cluster Sensorik. Die SPS hat auch auf

demografische Herausforderungen in der Clusterregion reagiert und im Rahmen des Projekts „DEMOCLUST “

einen neuen Dienstleistungsservice etabliert: die Demografieberatung.

nehmen in angrenzende Metropolregionen ge-lockt. Sensorik-KMU verfolgen zwar zukunfts-orientierte Unternehmensstrategien bei Tech-nologien, Produkten und der internationalenMarkt- und Kundenorientierung – kaum einelektrisches Produkt oder ein technisches Sys-tem funktioniert heute ohne die Steuerungs-elemente, die die Sensorik als technologischesRückgrat der Hightech-Welt liefert. Damit diesauch weiterhin so bleibt, unterstützt die SPSals Netzwerk Mitglieder und Partner mit facet-tenreichen Angeboten, bei deren GestaltungBedarfsorientierung und praktischer Nutzen anerster Stelle stehen.

Da aufgrund personeller, zeitlicher und finan-zieller Restriktionen und im Rahmen des ope-rativen Tagesgeschäfts systematische Personal-strategien bei Clustermitgliedern in den Hin-tergrund rücken, stehen bei der Einführungeines demografieorientierten Personal- und Or-ganisationsmanagements im Cluster Sensorikdaher nun insbesondere den kleinen und mittel -ständischen Hightech-Unternehmen Demogra-fieberater mit verschiedenen Tätigkeitsschwer-punkten als Ansprechpartner zur Seite. Sie leis-ten „Hilfe zur Selbsthilfe“, sensibilisieren undbegleiten Unternehmen mit individuellen Be-ratungseinheiten in allen operativen und stra-

tegischen Belangen. Zugleich haben sie ein um-fangreiches Paket an konkreten Maßnahmenim Gepäck, die sofort in den Unternehmen zumEinsatz kommen können, aber ebenso an dieVorstellungen und Erfordernisse der Unterneh-men anpassbar sind. Nicht nur reaktiv, sondernauch proaktiv beraten und fördern Demogra-fieberater Unternehmenskompetenzen u.a. inden Bereichen Rekrutierung (Mitarbeiter findenund gewinnen), Diversity Management (Vielfaltim Unternehmen nutzen) sowie Employer Bran-ding (Attraktivität als Arbeitgeber steigern).

Offene und unternehmensübergreifende Aus-/Weiterbildungsreihen sowie regelmäßige Netz-werktreffen unterstützen den Austausch zwi-schen Praktikern und „Demografie-Know-how-Trägern“ der Region. Durch die Anregung zurkontinuierlichen Reflexion bzgl. derzeitiger undkünftig erforderlicher Kompetenzen sowie stra-tegischen Ausrichtungen stärken sie die Selbst-steuerungskompetenz von Unternehmen. Diesesollen Herausforderungen eigenständig erken-nen und ihre Organisationsentwicklung – be-gleitet, aber eigeninitiiert – vorantreiben.

Eine „sinn“- und ebenso wirkungsvolle Angele-genheit? Durchaus! Alle Angebote im Rahmender Demografieberatung wurden zusammen mitden Clusterakteuren ausschließlich auf derenindividuellen Bedarf hin entwickelt. Die Bera-tung selbst folgt den Prinzipien der Sensorik.Um Personal- und Organisationsmanagementin einem Hightech-Netzwerk sensibel wie auchintelligent zu gestalten und so zu wirken wieSensoren in der Technik, setzen die Demogra-fieberater alle Sinne ein: Sie steuern, messenund regeln gemeinsam mit den Clusterakteurendie eingeleiteten Maßnahmen und erarbeitenkontinuierlich neue, passgenaue Unterstüt-zungsangebote. Ergebnis eines praxisorientier-ten Dialogs sind unternehmensspezifische De-mografiefahrpläne, die als – in Einklang mit dertechnologischen Roadmap stehende – Perso-nalstrategie Unternehmen im Cluster „demo-graFIT“ machen. Dass gerade bei KMU angesichtseines hohen operativen Drucks Herausforde-rungen, deren Bewältigung für den langfristigenErhalt ihrer Innovations- und Wettbewerbsfä-higkeit entscheidend sind, in den Hintergrundgeraten, stellt den strategischen Ansatzpunkt

für die Beratung dar. Die Sprache der Techno-logie aufzugreifen, erwies sich als erfolgreicherAnsatz und führte bei den oft stark technolo-giefokussierten kleinen und mittelständischenHightech-Unternehmen zum erforderlichen„Wake-up-Call“.

Ihre Kompetenz haben Demogafieberater imDialog mit Unternehmen, Demografie-Expertenund (über)regionalen Initiativen erworben.Branchen- und Feldkenntnis aktualisieren sieauch durch kontinuierliche Interaktion mit wirt-schaftlichen und kommunalpolitischen Ent-scheidungsträgern. Sie kennen „ihre“ Netzwerk-Unternehmen und sind mit dem unternehmeri -schen Alltag ebenso wie mit der Region bes tensvertraut. Bei operativen und strategischen Pro-blemen werden sie von Cluster-Akteuren daherals erste Ansprechpartner und Lotsen zu wei-teren Experten hin wahrgenommen. Unter derPerspektive regionaler Vernetzung wird dasNetzwerkmanagement seiner Funktion alsSchnittstelle der Unternehmen eines Sektors zuregionalen und überregionalen Partnern ge-recht: Das Cluster füllt die Lücke zwischen Wirt-schaft, Wissenschaft und Politik. Die übersicht-liche Größe, kurze Wege, die persönliche Inter-aktion und konkrete Unterstützungsleistungensind hierbei entscheidende Faktoren, die die Ak-teure zu hohem und oft freiwilligem Engage-ment motivieren. Kernstück der erfolgreichenEtablierung der Demografieberatung als Dienst-leistung war jedoch die über eine kontinuierli-che Zusammenarbeit mit den Netzwerkakteurenim Lauf der Jahre entstandene Vertrauenskulturim Cluster Sensorik.

Die Demografieberater liefern mit einem inno-vativen, begleitenden Beratungsansatz konkreteErgebnisse als Antwort auf den demografischenWandel. Als Netzwerkunternehmen und Praxis-partner entwickelte die Hofmann LeiterplattenGmbH die Maßnahmen und Angebote der De-mografieberatung nicht nur mit, sondern er-probte diese in der Praxis. Sensibilisierung undder kontinuierliche Dialog haben dort einen Do-minoeffekt angestoßen, der zeigt, dass eine or-ganische, langsam wachsende Unternehmens-entwicklung trotz der begrenzten Ressourcenwährend des Alltagsgeschäftes möglich ist. Diegezielte Reflexion über den Umgang mit den

Aktionsfelder der Demografieberater

Eine „sinn“-volle Angelegenheit: Demografieberatung im Cluster Sensorik – sensibel und intelligent Stefanie Fuchs

unternehmerischen Herausforderungen sowieder von den Demografieberatern initiierte Er-fahrungsaustausch zwischen Unternehmen mitähnlichen Ausgangssituationen, aber auch re-gionalen „Demografie-Know-how-Trägern“ hatdabei neue Handlungsfelder aufgeworfen undweitere Beratungsthemen generiert. Mit zahl-reichen weiteren Unternehmen aus dem Clusterwurde eine Praxisreflexion als erste Phase derDemografieberatung durchlaufen, die Ausarbei -tung und Umsetzung eines detaillierten Maß-nahmenplans („Demogafiefahrplan“) wurdenbereits angestoßen. Voraussetzung hierfür wardie begleitende, zur kontinuierlichen Selbstre-flexion anregende Unterstützung der Demo-grafieberater. Das Alleinstellungsmerkmal, eineintensive, individuelle Begleitung durch Demo-grafieberater des Clusters Sensorik, gibt nichtnur punktuell Impulse, sondern hat eine Ent-wicklung von nachhaltigen, gesamtheitlichenUnternehmensstrategien zur Folge – wenn dasnicht „Sinn“ macht!

Beachtung fand die Demografieberatung mitt-lerweile auch auf Bundesebene: Das Bundes-ministerium für Arbeit und Soziales zeichnetedie SPS als „Innovatives Netzwerk 2014“ fürihre Aktivitäten zur regionalen Fachkräftesiche-rung im Rahmen der Demografieberatung ausund lobte so das vorbildliche Engagement indiesem Bereich.

Die AutorinDipl.-Kfr. Stefanie Fuchs ist seit 2008 Leiterindes Bereichs Human Resources bei der Strate-gischen Partnerschaft Sensorik e.V. Zu ihrenArbeitsschwerpunkten zählt die Konzeptionund Durchführung von innovativen nach -haltigen Personalentwicklungsansätzen ins-besondere für kleine und mittelständischeUnter nehmen eines Hightech-Clusters. [email protected]

RekrutierungMitarbeiter findenund gewinnen

EmployerBrandingAttraktivität als Arbeitgeber steigern

Aus- und WeiterbildungKompetenzen auf- und ausbauen

VernetzungSchnittstellen zuWirtschaft, Wissen-schaft und Politiknutzen

Gesundheits-managementArbeitsplätze gesundheitsförderndgestalten

Work-Life-BalanceVereinbarkeit vonFamilie und Beruf verbessern

Diversity ManagementVielfalt im Unter-nehmen nutzen

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1514

Die Module sind eingebettet in die regionaleDemografieberatung, die die Strategische Part-nerschaft Sensorik e.V. (SPS) nun als neuen Ser-vice im Cluster Sensorik anbietet. Mit dem Pra-xispartner Hofmann Leiterplatten GmbH, einemRegensburger Hightech-KMU, wurden die Mo-dule praktisch umgesetzt und weiterentwickelt.Die verschiedenen Ebenen der beteiligten Akteu -re – Wissenschaft, Unternehmen und Cluster –eröffneten unterschiedliche Sichtweisen, welchebei der Entwicklung der Instrumente diskutiertund eingearbeitet wurden. Die Kompetenzmo-dule bieten daher keine einseitige, sondern einenachhaltige, an die Bedürfnisse von Hightech-KMU angepasste Lösung für den Umgang mitDiversität.

Es stellt sich zunächst die Frage, was Diversityoder Diversität für KMU im Rahmen des demo-grafischen Wandels bedeutet. Auch eine schein-bar homogene Belegschaft, z.B. bestehend ausdeutschen Frauen, unterscheidet sich u.a. in Al-ter, Beruf und übergreifend in ihren Erwartun-gen an die Arbeitsstelle. Wie aus den Interviewsmit Clusterunternehmen hervorgeht, spielt ne-ben der Nationalität z.B. auch die Unterneh-menskultur vorheriger Arbeitgeber, hier insbe-sondere der Kontrast von großen Unternehmenzu KMU, eine große Rolle bei der Integrationneuer Mitarbeiter/-innen in den Betriebsalltageines KMU. Gleichzeitig fehlt dem Unternehmenund seinen Führungskräften häufig Erfahrungmit „bunten“ Belegschaften und Chancen vonDiversity können kaum genutzt werden.

Diversity eröffnet einerseits Zugang zu verschie-denen Denk- und Arbeitsweisen durch unter-schiedliche Menschen und fördert so Kreativitätund innovative Lösungen. Andererseits birgtDiver sität auch Risiken, wie beispielsweise ein

Vernetzt demografiefest – zukunftssicherndeKompetenzmodule für Hightech-KMU Carola Jungwirth, Loren Barth, Stefanie Fuchs

Hightech-KMU des Clusters Sensorik spüren bereits Auswirkungen des demografischen Wandels in Form eines

Fachkräftemangels und versuchen mit unterschiedlichen Strategien, diesen negativen Folgen entgegenzuwirken.

Bewerber aus dem Ausland oder bisher vernachlässigte Bewerbergruppen aus der eigenen Region werden ver-

stärkt rekrutiert – die Belegschaft wird immer vielfältiger. Um die Potenziale dieser Diversität optimal zu realisie-

ren, sprich einen Nährboden für Innovation zu schaffen, entwickelte die Universität Passau im Verbundprojekt

DEMOCLUST maßgeschneiderte Kompetenzmodule auf Basis einer Betriebsbeobachtung in einem KMU mit einer

sehr bunten Belegschaft und unter Einbezug der Befragung der Clusterunternehmen, durchgeführt vom Projekt-

partner SoWiBeFo e.V. (vgl. den Artikel von Alexander Krauß und Birgit Luger in diesem Heft).

erhöhtes Konfliktpotenzial aufgrund des Auf-einandertreffens verschiedener Kulturen, Gene -rationen etc., die den Betriebsablauf stören undso Kosten verursachen können. Führungskräftehaben somit die verantwortungsvolle wie he-rausfordernde Aufgabe, alle Mitarbeiter/-innenzu vereinen, zu motivieren und an das Unter-nehmen zu binden. Daher sehen die Unterneh-men einen Bedarf an einer innovativen, res-sourcenschonenden und auf die speziellen An-forderungen von KMU zugeschnittenen Lösungim Bereich der Mitarbeiterintegration und desDiversity Managements.

Zur Vertiefung dieser Erkenntnisse wurde eineBeobachtung in einem kleinen Unternehmendurchgeführt, um KMU-spezifische Schwierig-keiten in Bezug auf Diversity zu erfassen. Sokonnte festgestellt werden, dass Geschäfts führerund Führungskräfte in KMU stark in den Be -triebs alltag eingebunden sind und, im Gegensatzzu großen Unternehmen, in kontinuierlichem,direktem Kontakt zu allen Mitarbeiterebenenstehen. Eine nachhaltige Unternehmensentwick-lung und -umstrukturierung ist für Führungs-kräfte in KMU jedoch wegen der knappen zeit-lichen Ressourcen und der Einbindung in denBetriebsalltag kaum alleine zu bewältigen. Umdies zu berücksichtigen, wurde im Rahmen derKompetenzmodule ein unternehmensübergrei-fender, dreiteiliger Trainingszyklus mit anschlie-ßenden Transfercoachings vor Ort im Unterneh-men durch Demografie berater/-innen des Clus-ters Sensorik entwickelt. Vorabgespräche derDemografieberater/-innen mit den Teilnehme-rinnen und Teilnehmern vor Beginn der Moduleermöglichen die Anpassung der Trainingsinhaltean die Unternehmens spezifika.

Im Trainingszyklus werden Faktoren behandelt,

welche gemäß der Erkenntnisse des Projektesund der Wissenschaft eine Rolle beim Aufbaueiner integrativen Unternehmenskultur spielen:Führungskompetenz, Konfliktmanagement undTeam-Diversity. Im ersten Modul zu Führungs-kompetenz befassen sich die Teilnehmer/-innenmit verschiedenen Instrumenten für die erfolg-reiche Führung und Motivierung einer hetero-genen Belegschaft in KMU sowie mit ihrer ei-genen Führungsrolle. Im zweiten Modul werdendie Teilnehmer/-innen an das Konfliktmanage-ment herangeführt, um die Kompetenz zu ent-wickeln, Konflikten vorzubeugen bzw. in beste-hende einzugreifen und so eine konstruktiveKonfliktkultur im Unternehmen zu etablieren.Dies ist insbesondere im Hinblick auf das hoheKonfliktpotenzial heterogener Teams ein essen-zieller Bestandteil der Führungsrolle in KMU.Basierend auf diesen Grundlagen befasst sichdas dritte Modul mit der Frage, wie eine inte-grative Diversity-Kultur im Unternehmen ge-staltet werden kann.

Der Trainingsablauf ist einerseits flexibel ge-staltet, um auf Unternehmensspezifika eingehenzu können, und andererseits interaktiv, um In-halte praktisch zu erarbeiten und den Teilneh-merinnen und Teilnehmern Raum für eigeneThemen und Erfahrungen zu bieten. Die Trai-nings an sich bieten durch die unternehmens-übergreifende Teilnehmergruppe zudem dieMöglichkeit, Erfahrungen mit anderen Füh-rungskräften auszutauschen. Um das erarbeiteteWissen und die entwickelten Kompetenzen überdas Training hinaus zu festigen und die prakti-sche Umsetzung der Trainingsinhalte im Ar-beitsalltag zu unterstützen, finden nach jedemModul intensive, persönliche Transfercoachings,durchgeführt von den Demografieberaterinnenund -beratern des Clusters Sensorik, statt.

Den passgenauen Zuschnitt der Kompetenzmo-dule sowie der begleitenden Beratung inklusiveTransfercoachings attestiert der Praxispartnerim Projekt, die Hofmann Leiterplatten GmbH.Alle Inhalte und Methoden der Trainings folgenden Herausforderungen, die sich aus den struk-turellen Gegebenheiten von Hightech-KMUerge ben, wie Ressourcenknappheit, flachen Hie-rarchien, Dynamik, und zielen hierfür auf Pra-xisorientierung und eine sofortige Anwendbar-keit im eng getakteten KMU-Arbeitsalltag ab.Die Transfercoachings nach den jeweiligen Trai-nings legen mit ihrem systemischen Ansatz, derHilfestellung zur eigenen Lösungsfindung, kon-kret detaillierte Umsetzungsziele inkl. Umset-zungsmonitoring mit der Führungskraft fest,diskutieren individuelle Problemfälle und bre-chen Trainingsinhalte auf den gegebenen Un-ternehmenskontext herunter. Effektivität inKommunikation, Delegation sowie ihr Verständ-nis für und der Umgang mit interkulturellenMitarbeitern sind nachhaltig gewachsen. DieReflexion über die vom Techniker häufig weitentfernten Themen Führung, Personalentwick-lung, Mitarbeiterorientierung, welche durch dieKompetenzmodule und den regelmäßigen Aus-tausch mit den Demografieberaterinnen undberatern angestoßen wurden, haben zudem ei-nen positiven Dominoeffekt ausgelöst. Aus derSensibilisierung für die eigene Führungsrolleund Teamanalysen nahm das UnternehmenImpul se für die nächsten Schritte in der Orga-nisationsentwicklung mit: Optimierte Organi-sationsstrukturen sowie neue Kommunikations-methoden werden etabliert, innovative Ausbil-dungskonzepte entstehen und vieles mehr, umdem demografischen Wandel aktiv zu begegnenund Diversity als Basis für zukunftssicherndeInnovation zu nutzen.

So wird bestätigt, dass die im Projekt DEMO-CLUST entwickelten, für KMU passgenauenKompetenzmodule erfolgreich im Unternehmeneingesetzt und so die Chancen von Diversityrealisiert werden können.

Carola Jungwirth, Loren Barth, Stefanie Fuchs

Die AutorinnenProf. Dr. Carola Jungwirth ist Inhaberin desLehrstuhls für Internationales Managementder Universität Passau. Im Rahmen ihresFachgebiets Internationales Managementforscht sie zu „Management von Standort -entwicklung“. [email protected]

Diplom-Kulturwirtin Loren Barth ist Wissen-schaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl fürInter nationales Management der UniversitätPassau und Koordinatorin für das Teilprojektdes Lehrstuhls im Projekt [email protected]

M.A. Soziologie &BWL Stefanie Fuchs istWissen schaftliche Mitarbeiterin der Univer -sität Passau für das Projekt DEMOCLUST. [email protected]

www.democlust.de

præview Nr. 2 | 2014

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17præview Nr. 2 | 201416

Übertrüge man das titelgebende Spiel auf rele-vante personalpolitische Themen und spielte esmit den Unternehmen des Clusters Sensorik,käme für die Kategorie „Aktuelles Thema“ beimBuchstaben „D“ demografischer Wandel heraus.Bei „Akutes Problem“, Buchstabe „F“ stündeFachkräftemangel. In der Kategorie „Strategiezur Bewältigung“ wären die Antworten, unab-hängig vom Buchstaben, vielfältig. Diese Er-kenntnis wurde in leitfadengestützten Inter-views mit Clusterunternehmen gewonnen. Eswurde deutlich, dass die Unternehmen je nachregionaler Lage unterschiedliche Schwerpunktesetzen, um gegen den Fachkräftemangel anzu-kommen.

Beispielhaft für die Kategorie „Stadt“ ist dasUnternehmen AVL Software and FunctionsGmbH – kurz AVL – aus Regensburg, für die Ka -tegorie „Land“ das Unternehmen Zollner Elek-tronik AG aus Zandt im Landkreis Cham. BeideUnternehmen sind Mitglied im Cluster Sensorikund liegen nur rund 70 km, also etwa eineStunde Fahrzeit, voneinander entfernt. Trotzdieser räumlichen Nähe stehen die Unterneh-men ganz unterschiedlichen Herausforderungengegenüber. Nur zum Vergleich: In Münchendauert es oft länger als eine Stunde, sich voneinem Stadtteil zum anderen zu bewegen.

Stadt, Strategie mit „I“: Internationale Rekrutierung Der Prognos Zukunftsatlas 2013 zeigt: Regens-burg ist der dynamischste WirtschaftsraumDeutschlands. Dies hat auch Auswirkungen aufden Arbeitsmarkt. Trotz eines starken Zuzugs indas Stadtgebiet herrscht unter den Unterneh-men rege Konkurrenz um neue Mitarbeiter/-in-nen. Führende Großunternehmen beansprucheneinen Großteil der Bewerber/-innen für sich undsetzen kleinere Betriebe damit enorm unterDruck. Eine der Gegenmaßnahmen sehen KMUin einer starken Profilierung als Arbeitgeber-

Stadt, Land, ArbeitsFluss: Der Unternehmensstandort alsstrategiebestimmender Faktor bei der FachkräftegewinnungAlexander Krauß, Birgit Luger

Regionale Faktoren bestimmen Strategien zur Bewältigung des demografischen Wandels entscheidend mit.

Im Rahmen des Verbundprojekts DEMOCLUST wurde mittels Tiefeninterviews und Fragebogen untersucht,

inwieweit der Standort bei der Wahl solcher Strategien eine Rolle spielt. Anhand zweier repräsentativer

Unternehmen des Clusters Sensorik wurden dabei typische Standorte in Ostbayern miteinander verglichen:

ein hochdynamischer städtischer Raum mit hohem Industriebesatz und ein ländlich-peripherer Raum mit

einzelnen leistungsfähigen Hightech-Unternehmen.

marke. Dies ist notwendig, denn in einer Bran-che wie der Sensorik, die hochinnovative Be-standteile für unterschiedlichste Produkte ent-wickelt, lässt sich der Name des Unternehmensauf den ersten Blick nicht mit attraktiven End-produkten in Verbindung bringen. Für die Iden-tifikation mit dem Unternehmen setzt AVL des-halb auf alternative Strategien. „Wir müssenunsere Stärken mehr in den Vordergrund stel-len“, sagt Dr. Georg Schwab, Geschäftsführervon AVL. Dazu gehören die Möglichkeit neuerMitarbeiter, innerhalb der verschiedenen Ab -teilungen des Unternehmens vielfältige Erfah -rungen zu sammeln, ein hohes Maß an Eigen-verantwortlichkeit und eine enge Einbindungin das Unternehmen.

Als weitere Gegenmaßnahme wird seitens derUnternehmen auf Internationalität als Innova-tionsfaktor gesetzt. Experten aus dem Auslandbieten gerade Hightech-Unternehmen zahlrei-che Vorteile. „Wir können in einem homogendeutschen Team keine Weltklasseinnovationmachen“, sagt Dr. Schwab von AVL. Innovatio-nen für den Weltmarkt zu entwickeln, erfordereMitarbeiter „aus aller Herren Länder“, war inden Interviews immer wieder zu hören. Die Ex-perten aus dem Ausland bringen ihre Kenntnisseinternationaler Märkte, ihren Arbeitsstil und ihrkulturbedingtes „Andersdenken“ ein. Die AVLgeht diesen Weg konsequent. Das Unternehmenbeschäftigt mittlerweile Mitarbeiter aus 20 ver-schiedenen Ländern und gilt deshalb als Pionierfür Internationalität. Dabei scheint AVL einenaktuellen Trend zu spiegeln, wie das Programm„Welcome to Regensburg“ zeigt. Hier unterstütztdie Stadt Regensburg in Zusammenarbeit mitder Bundesagentur für Arbeit Unternehmen beider Rekrutierung und Integration spanischerIngenieure. Die Internationalisierung bringt je-doch auch Herausforderungen mit sich: Einschneller Spracherwerb auf hohem Niveau unddie soziale sowie berufliche Integration der Le-

benspartner sind wichtige Faktoren. Die Lösun-gen hierfür müssen fortlaufend erprobt undweiterentwickelt werden.

Land, Strategie mit „R“: Regionale RekrutierungUnternehmen in der Peripherie haben noch grö-ßere Probleme als solche im städtischen Raum,eine ausreichende Anzahl von Fachkräften zurekrutieren. Während große Betriebe hier einenlangsamen Rückgang an Bewerbern verzeich-nen, melden kleine Unternehmen bereits einenakuten Mangel. Der Grund: Haben Bewerberdie Wahl, arbeiten sie lieber in großen Städten.Die Chancen, ausgebildete Fachkräfte von außenin die Region zu locken, stehen deshalb schlecht.Ursache ist nicht nur ein allgemeiner Mangeletwa an Ingenieuren. Häufig sind auch dieLebens partner/-innen potenzieller Bewerber/-innen das Problem. Die Aussicht auf ein Lebenin einem ländlichen Raum mit traditionellerPrägung und einer schwach ausgebildeten In-frastruktur schreckt viele ab. Die Zollner AGsetzt daher – trotz ihrer hohen Exportorientie-rung und Internationalität – verstärkt auf re-gionale Rekrutierung und Fachkräftesicherung.Ihr Ziel ist dabei, die Potenziale ihrer näherenUmgebung auszuschöpfen und Mitarbeiter/-in-nen, die in der Region ausgebildet wurden, fürsich zu gewinnen. Die regionale Rekrutierungmüsse vorangetrieben werden, war der über-einstimmende Tenor der Interviews.

Eine wichtige Rolle spielt außerdem die Zusam-menarbeit mit Hochschulen im ländlichenRaum. Die Technischen Hochschulen der Region,wie beispielsweise der Technologie CampusCham, arbeiten eng mit dem ansässigen Un-ternehmen zusammen. So werden Fachkräftebereits während des Studiums im Rahmen vonProjekt- und Abschlussarbeiten in das Unter-nehmen integriert und langfristig gebunden.„Unseren Ingenieursbedarf decken wir über un-

Alexander Krauß, Birgit Luger

sere 35 dualen Studenten“, sagt Markus Hof-mann, Personalreferent der Zollner AG. Auchder Rückgriff auf bisher noch nicht berücksich-tigte Bewerbergruppen wird als Möglichkeit an-gesehen. So bietet das Unternehmen nicht nurFrauen und Quereinsteigern, sondern auch ver-mehrt Bewerberinnen und Bewerbern mit einergeringen Qualifizierung Facharbeiterausbil-dungsplätze. „Vor fünf Jahren haben wir nurdie Besten genommen. Mathe schlechter als 2war K.-o.-Kriterium. Jetzt ist Mathe 3 bis 4 Stan-dard“, berichtet Markus Hofmann. Diese Stra-tegien wirken sich aber auch auf die Unterneh-menskultur aus. Die Unternehmen sind gezwun-gen, mehr Zeit und Geld in die Weiterbildungund Qualifizierung ihrer Mitarbeiter/-innen zustecken. Langfristig gesehen zahlen sich dieseInvestitionen jedoch aus, ist sich das Unterneh-men sicher.

ArbeitsFluss: Strategie mit „I“? Strategie mit „R“? Eine flexible Personalpolitik bietet vielfältigeMöglichkeiten, auf regionale Besonderheiten zureagieren. Viele Strategien schließen sich nichtgegenseitig aus. So rekrutiert auch die ZollnerAG internationale Fachkräfte, insbesondere ausdem nahen Tschechien und die AVL mobilisiertregional. Die Schwerpunkte werden jedoch un-terschiedlich gesetzt. Ausschlaggebend sind dieErfordernisse, die sich aus den regionalen Be-sonderheiten ergeben. Regionalität ist ein viel-fach unterschätzter Faktor bei der Suche nachStrategien für den Umgang mit dem demogra-fischen Wandel. Akteure wie das Cluster Sen-sorik können zwar keine universal einsetzbareModell-Strategie anbieten. Sie können Unter-nehmen aber bei der Entwicklung und Umset-zung ihrer eigenen, passgenauen Strategien un-terstützen. Negative Folgen des demografischenWandels lassen sich so abwehren und beispiels-weise in eine erhöhte Innovationskraft umwan-deln. Das Beste für den ArbeitsFluss ist also Di-versität. Unternehmen, die den demografischenWandel aktiv und individuell gestalten, bleibenauch innovativ. Und eine Belegschaft, die nichtnur hinsichtlich ihrer Bildung, ihres Geschlechtsoder ihres Alters, sondern auch aufgrund ihreskulturellen Hintergrundes Vielfalt bietet, kanndabei unterstützen.

Die Autorin, der AutorAlexander Krauß, M.A. (Politik, Geschichte,Sozio logie), ist Vorstand, Dipl.-Päd. Birgit Luger wissenschaftliche Mitarbeiterin des SoWiBeFo e.V. (Verein für sozialwissenschaft-liche Beratung und Forschung). [email protected] [email protected] www.democlust.de

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19præview Nr. 2 | 201418

Innovationen in Handwerksbetrieben:wenig systematischDas Handwerk als einer der „größten Arbeitge-ber und Ausbilder“ in Deutschland ist vor allemgeprägt durch seine klein-/kleinstbetrieblichenStrukturen (durchschn. 5,3 Beschäftigte pro Be-trieb), eine familiäre, inhaberzentrierte Kultur,eine starke Einbindung des Unternehmers inalle Kernprozesse, dessen Machermentalität, dieDominanz des Tagesgeschäfts, sehr flache Hie-rarchien, wenig dokumentierte Prozesse undStandards sowie die Nähe zu Kunden und Mit-arbeitern.

Empirische Befunde (vgl. Ihm et al. 2013) zeigen: æBei Innovationen sind die Inhaber in der

Regel die Ideengeber und „Kümmerer“ – aberauch der Engpass und damit die Verzögereroder Verhinderer von Neuerungen.

æDie systematische Entwicklung von Innovati -onen ist kein fester Bestandteil der Betriebs-führung.

æEine bewusste strategische Ausrichtung –beispielsweise auf Basis einer Stärken-Schwä-chen-Analyse zur Identifizierung von Inno-vationspotenzialen – gibt es eher selten.

Strategische Ausrichtung erforderlichHandwerksbetriebe versuchen, Aufgaben derstrategischen Betriebsführung im Rahmen deroperativen Betriebsführung zu lösen. Damit wirddie strategische Ausrichtung des Betriebes aufreaktive Komponenten und die Vorstellung, fle-xibel reagieren zu können, beschränkt. Diese„Strategie“ setzt ein hohes Maß an Flexibilitätbzw. Improvisation voraus und geht häufig zuLasten des Unternehmers und der Beschäftigten.Sie bewirkt außerdem, dass eine systematischeAuseinandersetzung mit den aktuellen und zu-künftigen Herausforderungen weitgehend un-terbleibt. Statt Maßnahmen frühzeitig aus ana-

Mit Strategie die Zukunft sichernErschließung von Innovationspotenzialen im Handwerk durch regionale AllianzenAlbert Ritter, Regina Osranek, Elisabeth Jaschinski

Der Fähigkeit und Bereitschaft zu Innovationen wird eine Schlüsselfunk-

tion für die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen und Volkswirtschaften

zugeschrieben, insbesondere vor dem Hintergrund der Chancen und Risi-

ken des demografischen Wandels. Dabei umfassen Innovationen nicht nur

neue Produkte, Dienstleistungen und Verfahren, sondern Neuerungen in

allen betrieblichen Bereichen (vgl. z.B. Roth 2009).

lysierten Trends abzuleiten, reagiert man aufakute Forderungen und Situationen. Die Un-ternehmer sehen zwar die Relevanz einer stra-tegischen Ausrichtung ihres Betriebes, aber beider Umsetzung tun sie sich schwer. Das Fehlenpraktikabel erscheinender Konzepte ist nachAussage der Betriebe einer der Gründe (vgl. Rit-ter 2014).

Lösungsansatz: eine handwerkstaug -liche, strategische BetriebsführungEin Konzept für eine strategische Betriebsfüh-rung in Handwerksbetrieben muss sich an derenRahmenbedingungen orientieren. Besonderswichtig sind ein überschaubares Aufwand-Nut-zen-Verhältnis, geringe Einstiegsvoraussetzun-gen bei der Initiierung (z.B. durch externe Un-terstützung), ein schnell erlebbarer Nutzen, eineeinfache Anwendung, handwerkstauglicheTools, die Einbeziehung der Beschäftigten undMechanismen zur Aufrechterhaltung. Im inno.de.al-Projekt wurde ein Konzept einer hand-werkstauglichen, strategischen Betriebsführungentwickelt und mit Unternehmern abgestimmtund erprobt. Wesentliche Bausteine sind:æ strategische Ausrichtung des Betriebes durch

ein gemeinsam mit allen Beschäftigten erar-beitetes Unternehmensleitbild,

æ jährliche Reflexion „Wie gut leben wir unserLeitbild?“ und Ableiten von Verbesserungen,

æErarbeitung strategischer Entwicklungsmög-lichkeiten und Innovationspotenziale durcheine sog. „Strategie-Werkstatt“.

Regionale Innovationsberatung im KonvoiAusgehend von Erkenntnissen aus der Hand-werksforschung wurde in inno.de.al das Unter-stützungskonzept „Regionale Innovationsalli-anzen im Handwerk“ entwickelt. Es geht davonaus, dass Handwerksbetriebe bei der Erschlie-

ßung von Innovationspotenzialen eine externeUnterstützung benötigen, diese handwerkstaug-lich sein muss und der Zugang zu den Inhabernam besten über die bewährten Kontakte derHandwerksorganisationen erfolgen sollte.

Eine regionale Innovationsallianz besteht ausca. acht Handwerksbetrieben einer Region, dienicht im direkten Wettbewerb zueinander ste-hen, einem Netzwerkbetreuer und bedarfsbe-zogen zugeschalteten Unterstützungspartnern.Sie bilden ein Unternehmernetzwerk und ge-nerieren damit eine potenzielle Austauschplatt-form, durch die eine regionale Innovationsbe-ratung „im Konvoi“ möglich ist.

Erste Erfahrungen aus der ErprobungErprobungen in der Praxis zeigen, wie erfolg-versprechend der Ansatz sein kann, aber auchdie Notwendigkeit niedriger Eingangsvoraus-setzungen bei der Initiierung des Ansatzes. Tho-mas Petermann, Inhaber einer am inno.de.al-Projekt als Anwender beteiligten Metzgerei,zeigte sich zu Beginn etwas besorgt über denvermeintlichen Aufwand, entschied sich aller-dings dann doch für die Entwicklung eines Un-ternehmensleitbildes unter Einbeziehung allerBeschäftigten. Auf die Frage, was ihn dazu be-wogen habe, äußerte er:

„Wir haben alle das gleiche Ziel in unserem Be-trieb: dass es dem Betrieb und den Beschäftig-ten gut geht. Aber wir hatten bisher unter-schiedliche Vorstellungen, wie das konkret aus-sehen soll und wie wir dorthin kommen. DasLeitbild hilft uns dabei, unsere Vorstellungen„unter einen Hut“ zu bekommen, uns alle aufunser gemeinsames Ziel auszurichten und esauf dem gleichen Weg zu erreichen.“

Die regionale Innovationsallianz, die sich u.a.mit dem Instrument Unternehmensleitbild aus-einandersetzte, schien für ihn ein wesentlicherFaktor zu sein: „Es hat bei der Entscheidung, einUnternehmensleitbild zu entwickeln, eine großeRolle gespielt. Denn man hat im Netzwerk ge-sehen, wie andere das machen und dass es funk-tionieren kann. Auch wenn man am Anfang viel -leicht etwas skeptisch war. Man hat aber durchden Dialog untereinander eine bessere Vorstel-lung davon bekommen, wie es aussehen kann.“

Ein weiterer Anwendungsbetrieb, der in einer„Strategie-Werkstatt“ Entwicklungsmöglichkei-ten und Innovationspotenziale erarbeitet hat,ist die BannwegBau GmbH. Der geschäftsfüh-rende Inhaber Karl-Heinz Bannweg weist aufHerausforderungen bei der Umsetzung hin: „ImTagesgeschäft muss man sich Freiräume schaf-fen, um die eingeführten Strategien zu lebenund zu prüfen, die Mitarbeiter zu motivierenmitzumachen, damit das Ganze nicht nur zurChefsache wird. Finanzielle Spielräume sind zuerwirtschaften, damit man sich die Mitarbei-terworkshops auch leisten kann. Also nicht war-ten, bis man in einer Krise steckt.“

Die Chancen liegen für ihn auf der Hand: „Durchdie Analyse und ständige Verbesserung seheich immer wieder, wie der Betrieb zum Marktsteht, sehe neue Märkte, erkenne frühzeitig Ge-fahren und kann sofort darauf reagieren. Da-durch bin ich den anderen Betrieben einenSchritt voraus. Man ist Gestalter und wird nichtgestaltet. Die Motivation steigt, da jeder Mit-arbeiter in die Prozesse in irgendeiner Art undWeise mit eingebunden ist. Bei uns entstehteine andere Kultur, das Verantwortungsbe-wusstsein des Einzelnen steigt und das Mitar-beiterwissen ist verfügbarer.“

Die beispielhaft ausgewählten Unternehmer ha-ben bei ihrer bisherigen Realisierung einer stra-tegischen Betriebsführung erlebt, wie hilfreiches sein kann, vorausschauend Innovationspo-tenziale zu erschließen. Die ehrliche Einbindungder Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in denProzess hat schon jetzt positive Auswirkungenund kann die Innovationskraft des Unterneh-mens potenzieren.

LiteraturIhm, A., Baumann, A., Mangold, K., Ritter, A., Osranek, R. & Weber,

H. (2013). Innovationsfähigkeit und -bereitschaft in Hand-werksbetrieben im Kontext des demografischen Wandels – Er-gebnisse einer empirischen Bestandsaufnahme. In: Gesellschaftfür Arbeitswissenschaft e.V. (Hrsg.), Chancen durch Arbeits-,Produkt- und Systemgestaltung, 59. Kongress der Gesellschaftfür Arbeitswissenschaft, S. 103-106. Dortmund: GfA-Press.

Ritter, A. (2014). Beratungstool „Förderung der strategischenAusrichtung eines Handwerksbetriebes durch ein mit allenMitarbeitern erarbeitetes Unternehmensleitbild“. In: K. Man-gold, et al. (Hrsg.), HaFlexSta-Beratungstools für eine zu-kunftsorientierte Betriebsberatung im Handwerk, S. 60-73.Karlsruhe: medialogik.

Roth, S. (2009). New for whom? Initial images from the socialdimension of innovation. International Journal of Innovationand Sustainable Development, 41(4), S. 231-252.

Regionale Innovationsallianz. Beteiligte Handwerksbetriebe: Kaffeehaus Erbel, Friseur trend 21 GmbH,Metzgerei Thomas Petermann, UP Feine Steine, BannwegBau GmbH, CKS GmbH und Doppler GmbH. Netzwerkbetreuung: E. Jaschinski, Handwerkskammer des Saarlandes.

Albert Ritter, Regina Osranek, Elisabeth Jaschinski

Der Autor, die AutorinnenDr. Albert Ritter ist Inhaber des Forschungs-und Beratungsinstituts Dr. Albert Ritter – Forschung, Beratung, Training (FBT) in Otter-berg (www.fbt.de).

Dipl.-Psych. Regina Osranek ist wissenschaft-liche Mitarbeiterin am Institut für Technologieund Arbeit e.V. in Kaiserslautern.

Dipl.-Kffr. Elisabeth Jaschinski ist Projekt -mitarbeiterin an der Handwerkskammer desSaarlandes in Saarbrücken.

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21præview Nr. 2 | 201420

Gute Netzwerkarbeit fordert gegenseitiges VertrauenVertrauensförderliche Maßnahmen in regionalen UnternehmernetzwerkenAndreas Ihm, Anja Baumann, Josef Schuler

Der spanische Soziologe Manuel Castells sieht das 21. Jahrhundert als

das Jahrhundert der Netzwerke. Gesellschaftliche, wirtschaftliche und

politische Prozesse entstehen neu, werden umstrukturiert und formieren

sich um die Organisationsform Netzwerk herum.

torin bzw. der Netzwerkkoordinator sollte fürdie Unternehmer/-innen eine vertrauliche An-sprechperson sein, an die sich die Unternehmer/-innen wenden können, wenn sie Fragen, Anre -gungen oder ein Anliegen haben.

Vergleichbare strukturelle Merkmale (wie ähn -liche Betriebsgröße): Um dafür zu sorgen, dassvergleichbare Organisationsstrukturen und an-schlussfähige Geschäftsprozesse zwischen deneinzelnen Unternehmen bestehen, sollten dieBetriebsgrößen ähnlich sein. Diese strukturellenMerkmale schaffen häufig ähnliche Problemla-gen, die förderlich für eine offene und durchGegenseitigkeit geprägte Zusammenarbeit sind.Offenlegung der Erwartungen: Im Netzwerkmuss es zwischen den Partnern einen möglichstoffenen Austausch darüber geben, welche Er-wartungen mit der Netzwerkarbeit verbundensind und was erreicht werden soll.

Anzahl der Partner: Das Netzwerk sollte in sei-ner Struktur überschaubar sein und allen Part-nern genügend Raum geben. Sechs bis zehnUnternehmer/-innen haben sich im Laufe desProjekts als günstig erwiesen, da diese Grup-pengröße noch überschaubar ist, um so eineaktive Teilnahme jedes Betriebs zu ermöglichen.

Branchenzusammensetzung: Partner verschie-dener Branchen im Netzwerk zu vereinen, bringtvor allem den Vorteil des ausbleibenden Kon-kurrenzdrucks der Betriebe untereinander. DerAustausch findet in der Regel auf einer den Ar-beitsinhalten übergeordneten Ebene statt. Je-doch zeigte sich im Projekt inno.de.al, dass auchPartner aus der gleichen Branche vertrauensvollzusammenarbeiten können, wenn durch Ab-sprachen potenzielle Konkurrenzsituationenvermieden werden, beispielsweise durch Ab-stimmung regionaler „Schutzräume“ und einVetorecht der Netzwerkbetriebe gegenüberneuen Partnern.

Schaffung gemeinsamer Regeln: Gemeinsamaufgestellte „Spielregeln“ für die Zusammenar-beit, wie beispielweise Vertraulichkeit und keineWeitergabe betriebsspezifischer Informationen,sollten vereinbart und eingehalten werden.Ebenso sollte gewährleistet sein, dass sich alle

Partner aktiv beteiligen. Dies schafft gemein-same Standards. Durch den Wegfall von tradi-tionellen Anreiz- und Sanktionsmitteln erhaltendiese „Spielregeln“ eine verstärkte Bedeutung.Formulierung einer Kooperationsvereinbarung:In einer schriftlichen und verbindlichen Verein-barung sollten die gemeinschaftlich vereinbar-ten Ziele, die Rechte und Pflichten des Einzelnensowie weitere Konditionen mit jedem Partnerfestgehalten werden.

FazitIn Unternehmernetzwerken können auftretendeProbleme diskutiert und gemeinsam Lösungengefunden werden. Dadurch eignen sie sich gutzur Steigerung der Innovationsfähigkeit der be-teiligten Partner. Auf diese Weise erhalten Un-ternehmernetzwerke zur Optimierung der ei-genen Betriebsführung eine größere Bedeutung.Um im Netzwerk langfristig erfolgreich zu ar-beiten, ist ein vertrauensvolles Klima notwendig,das durch die Anwendung zahlreicher vertrau-ensbildender Maßnahmen erreicht werden kann.

LiteraturBaumann, A., Ritter, A. und Mangold, K. (2014). Beratungstool

„Gruppenberatung in Form moderierter Unternehmernetz-werke“. In K. Mangold, A. Baumann, A. Ritter, B. Bauerfeld &S. Blaga (Hrsg.), HaFlexSta-Beratungstools für eine zukunfts-orientierte Betriebsberatung im Handwerk. Karlsruhe: media-logik.

Castells, M. (2001). Die Netzwerkgesellschaft. Opladen: Leske+Bu-drich.

sfs Sozialforschungsstelle Dortmund (1998). Netzwerkbildungals Innovationsstrategie. Dortmund: sfs.

Die Autorin, die AutorenAndreas Ihm, Politologe M.A., ist wissen-schaftlicher Mitarbeiter, Anja Baumann, Sozio-login M.A., ist wissenschaftliche Mitarbeiterinam Institut für Technik der Betriebsführungim Deutschen Handwerksinstitut e.V. (itb).

Josef Schuler, Dipl.-Ing.(FH), M.A., ist als Kooperationsmanager bei der bad&heizungconcept AG tätig.

Andreas Ihm, Anja Baumann, Josef Schuler

æ Informations- und Wissensaustausch: DieUnternehmer/-innen erfahren durch das Netz-werk wertvolle Informationen z.B. zum Un-ternehmensumfeld, der Mitbewerbersituationoder dem Leistungsspektrum der beteiligtenBetriebe.

æProfitieren von Erfahrungen: In Unternehmer -netzwerken können Unternehmer/-innen vonden Erfahrungen der anderen profitieren undso Ideen und Anregungen für ihre Betriebs-führung jenseits des eigenen „Tellerrandes“bekommen.

æEntstehung von Innovationen: Aus der Un-terstützung können eigene Innovationspro-zesse entstehen, indem Lösungen und Vorge -hensweisen im eigenen Unternehmen über-nommen oder adaptiert werden.

æDurch die Mitwirkung in einem Unterneh-mernetzwerk gelangen die beteiligten Un-ternehmer/-innen zu einer „Einstellung“ derMachbarkeit. Aus dem Wissen, ihren Betriebzukunftsfähig aufstellen zu müssen, entstehthäufig die Erkenntnis, dass dies auch fürkleine Betriebe gelingen kann.

Jedoch sind diese Nutzen an eine entsprechendeFunktionsweise gebunden. Nicht jedes Unter-nehmernetzwerk funktioniert gut, nicht immerkann jedes Unternehmen profitieren. Grund-sätzlich kann eine erfolgreiche Netzwerkarbeitjedoch nicht ohne Vertrauen realisiert werden:Die Bereitschaft der Partner, Vorleistungen inder Erwartung auf spätere Gegenleistungen zuerbringen, muss also vorhanden sein. Daher tra-gen langfristige Vertrauensbeziehungen der Un-ternehmer/-innen untereinander zur Langle-bigkeit und Qualität eines Netzwerkes bei. Umdies zu gewährleisten, konnten folgende Er-folgsfaktoren für eine erfolgreiche Vertrauens-bildung und Netzwerkarbeit im Rahmen desProjekts inno.de.al identifiziert werden.

Externe Koordination bzw. Moderation: Eine„neutrale“ externe Moderation bzw. Koordina-tion der Netzwerkaktivitäten ist eine wichtigeVoraussetzung für die Umsetzung vertrauens-förderlicher Maßnahmen wie z.B. das Aufstellengemeinsamer „Spielregeln“, die Gestaltung desNetzwerkklimas und der Kommunikation derBetriebe untereinander. Die Netzwerkkoordina-

Im betrieblichen Bereich steht das Thema Netz-werke bzw. Unternehmenskooperationen seiteinigen Jahren im Mittelpunkt der Aufmerk-samkeit. Zusammenschlüsse von mehreren Un-ternehmen schaffen Synergieeffekte und brin-gen, bei geeigneten Rahmenbedingungen, denPartnern Vorteile. Gerade im kleinbetrieblichenBereich können Netzwerke ihre Stärken in denBereichen Kommunikation, Unternehmensent-wicklung, Dienstleistungs- und Produktgestal-tung besonders ausspielen. Gerade Kleinbetriebeund insbesondere Handwerksbetriebe erhaltendurch die Zusammenarbeit in Netzwerken einenverbesserten Zugang zu vielen Ressourcen, dieihnen ohne die Kooperation häufig nur schwerzugänglich wären.

Für eine erfolgreiche Netzwerkarbeit müssenjedoch einige Voraussetzungen erfüllt sein. Ver-trauensvolle Zusammenarbeit zwischen den be-teiligten Betrieben ist dabei eine elementareGrundlage erfolgreicher Netzwerke.

Kooperation verschafft auch Hand-werksbetrieben VorsprungFür Handwerksbetriebe erfordert eine sichschnell wandelnde Umwelt einen systematischenUmgang mit den zahlreichen, teilweise auchverdeckten Implikationen, wie beispielsweise Ver-änderungen des Marktes, Fachkräftemangel undGlobalisierung. Handwerksbetriebe haben häufigweder für eine systematische Beobachtung derrelevanten Entwicklungen und die Bewertungihrer betrieblichen Relevanz, noch für das Ab-leiten entsprechender Maßnahmen und das Ma-nagen von deren Umsetzung Instrumente. Un-ternehmer/-innen benötigen deshalb eine ge-eignete Plattform für die Auseinandersetzungmit Veränderungen außerhalb des eigenen Be-triebs. Hier besteht die Möglichkeit, betriebs-übergreifend Strategien zu diskutieren, möglicheWerkzeuge kennenzulernen, voneinander zu ler-nen und Erfahrungen auszu tauschen. Dies kön-nen betreute Netzwerke bieten, wo Ressourcenund Kompetenzen zugänglich sind, die ohneNetzwerk nur schwer nutzbar wären.

Unternehmernetzwerke können für ihre Mit-glieder vieles leisten und für die beteiligten Be-triebe unter anderem folgende Vorteile bringen:

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23præview Nr. 2 | 201422

Wie wird man Netzwerkbetreuer? Was ist Ihrberuflicher Hintergrund?

Schuler: Ich beschäftige mich seit über zehnJahren mit Netzwerken. Mein beruflicher Hin-tergrund in der Personal- und Organisations-entwicklung war hierfür eine gute Grundlage.Wichtig ist es, sich als Netzwerkbetreuer guteKompetenzen in Projektmanagement, Modera-tion und Organisationsentwicklung anzueignen.

Jaschinski: Der Begriff bzw. die Position „Netz-werkbetreuer“ ist, wie die Bezeichnung schonaussagt, diejenige Schaltzentrale, welche sowohlfür die Durchführung der Aufgaben, die Sicher-stellung einer funktionierenden Organisationsowie für den Inhalt der Arbeit innerhalb desgesamten Netzwerks die Verantwortung trägt.Demnach sind analytisches Denken und be-triebswirtschaftliche Kenntnisse die Grundvo-raussetzung, damit ein solches Aufgabengebietqualitativ hochwertig, d.h. effektiv und effizient,besetzt wird. Ein elementarer Baustein oder dieGrundlage für die Arbeit des Netzwerkbetreuersbesteht beispielsweise in einem betriebswirt-schaftlichen Studium, so wie es bei mir als Di-plomkauffrau der Fall ist.

Wie sieht das Tagesgeschäft eines Netzwerk-betreuers aus? Schildern Sie bitte einen durch-schnittlichen Tagesablauf im Leben einesNetzwerkbetreuers?

Schuler: Ich arbeite viel in den Betrieben vorOrt. Meist sind dies Mitarbeiterschulungen oderGespräche mit der Geschäftsleitung. Danebenmoderiere ich regelmäßige Netzwerktreffen, beidenen Vertreter der Netzwerkbetriebe zusam-menkommen, um Erfahrungen auszutauschenund neue Instrumente für die Betriebsführungzu erarbeiten. Aber nicht nur die Chefs treffen

Innovation regional – Praktiker kommen zu WortAndreas Ihm und Anja Baumann im Gespräch mit Elisabeth Jaschinski undJosef Schuler

Zusammenfassend: Was reizt Sie besondersan Ihrer jetzigen Tätigkeit?

Schuler: Die Vielfalt der Themenstellungen undPartner erlaubt es mir, meine Kenntnisse viel-fältig einzusetzen und weiterzuentwickeln. Esist nicht abzusehen, dass es einmal langweiligwerden sollte.

Jaschinski: Ich finde es spannend, die Entwick-lung der Betriebe zu sehen und bei dieser po -sitiven Entwicklung der Handwerksbetriebemaßgeblich und nachhaltig beteiligt zu sein.Mein Ziel ist es, durch diese Arbeit dem saar-ländischen, regionalen Handwerk für die Zu-kunft eine erfolgreiche Stellung auf dem Marktzu sichern.

Andreas Ihm, Politologe M.A., ist wissenschaft -licher Mitarbeiter, Anja Baumann, SoziologinM.A., ist wissenschaftliche Mitarbeiterin amInstitut für Technik der Betriebsführung imDeutschen Handwerksinstitut e.V. (itb).

Elisabeth Jaschinski, Josef Schuler

intærview

sind. Ein Netzwerkbetreuer schafft in den Work-shops die Struktur, damit sich die Betriebe überneue Produkte austauschen und Serviceideenentwickeln können.

Jaschinski: Stillstand ist der Tod! Gemäß desGoing-Concern-Grundsatzes verzeichnet einBetriebswirt den nachhaltigen Erfolg mittels In-novation! Im demografischen Wandel sehen wirfür unsere Handwerksbetriebe sowohl Chancenals auch Risiken, die vor allem durch Innovati -onen, also Neuerungen bei Produkten, Dienst-leistungen sowie der Führung und Organisationeines Betriebes, gemeistert werden können.Handwerksbetriebe benötigen für die Erarbei-tung und Umsetzung solcher Innovationenneue, handwerkstaugliche Konzepte und In-strumente sowie Unterstützung – vor allemdurch ihre Handwerksorganisation. Unterneh-men und Regionen, die in ihrer Innovationskraftnachlassen, bleiben im Wettbewerb zurück. DieBetriebe wissen dies.

Was wird in Ihrem Netzwerk konkret unter-nommen, um die Innovationsfähigkeit derBetriebe zu fördern?

Schuler: Wir unterstützen die Innovationsfä-higkeit auf den unterschiedlichsten Ebenen, z.B.Bedarfsanalysen, Schulungen von Inhabern undMitarbeitern, Workshops für den Erfahrungs-austausch, betriebliche Maßnahmen und denAustausch mit der Wissenschaft durch unserePartner itb (Institut für Technik der Betriebs-führung) und ITA (Instituts für Technologie undArbeit).

Jaschinski: Wir entwickeln im Projektteam neuehandwerkstaugliche Konzepte und Instrumentezur Förderung der Innovationsfähigkeit vonHandwerksbetrieben und erproben diese. DerBlick richtet sich dabei zum einen nach außenauf die Kunden und deren Anforderungen, aberauch auf den Arbeitsmarkt (Stichwort Nach-wuchs- und Fachkräftemangel). Zum anderenwerden die Bedingungen in den Betrieben (dieFührung, Organisation und Abläufe) sowie dieKompetenzen und Beiträge der Beschäftigtenbetrachtet.

Jaschinski: Problem ist es, die Schiffe zu navi-gieren, sodass wir alle immer zeitgleich im Ha-fen sind! Sprich: Terminabsprache. Hier emp-fiehlt es sich, die Termine bereits zu Beginn derNetzwerkarbeit über einen längeren Zeitraumfestzulegen.

Welche Rolle spielt die regionale Verortungder Betriebe? Gibt es regionale Besonderhei-ten, auf die man im Rahmen der betrieblichenArbeit achten sollte?

Schuler: Unsere Betriebe kommen aus nahezuallen Regionen Deutschlands und gelegentliche,dialektbedingte Missverständnisse werden mitHumor genommen. Natürlich spielen die wirt-schaftlichen und sozialen Rahmenbedingungenin der jeweiligen Region für die Herausforde-rungen der Betriebe und somit auch für dieNetzwerkarbeit eine bedeutsame Rolle.

Jaschinski: Ja, als Saarländerin möchte ich un-sere Betriebe nach vorne bringen! Unterschiedesind nicht innerhalb der verschiedenen Bran-chen, sondern innerhalb der jeweiligen Regio-nen zu verzeichnen. Eine Antwort hierfür be-steht im Umfeld, in welchem sich der Betriebbefindet.

Was bedeutet für Sie Innovation und wie tra-gen Sie dieses Konzept in die von Ihnen be-treuten Betriebe?

Schuler: Innovation ist das zentrale Elementim Leitbild des „bad&heizungs-Netzwerkes“. AlsHandwerker müssen wir laufend den Marktnach Produktinnovationen sondieren, uns dieKompetenz zur Verarbeitung dieser Produkteaneignen und diese mit Servicedienstleistungenveredeln. Das heißt, dass für uns Service- undProzessinnovationen wettbewerbsentscheidend

sich. Wir haben gute Erfahrungen mit derDurchführung von betriebsübergreifendenWorkshops für Kundendienstmitarbeiter undAuszubildende gemacht, sodass wir planen, diesauf weitere Mitarbeitergruppen auszuweiten.Es gibt natürlich auch Bürozeiten, um Projekteund Workshops vor- und nachzubereiten.

Jaschinski: Ich betreue das Netzwerk sowiedessen Aktivitäten in regelmäßig stattfindendenWorkshops in den Betrieben vor Ort. Die Umset -zung der im Projektteam entwickelten Lösungs -konzepte mit entsprechenden Instrumenten bil-det den ersten Meilenstein. Hieraus entwi ckelnwir einerseits betriebsspezifische Maßnahmenwie beispielsweise Workshops mit allen Mitar-beitern. Andererseits sind dies betriebsüber -greifende Maßnahmen wie beispielsweise Trai-ningsmaßnahmen oder ein moderierter Erfah-rungsaustausch. Zwischen den Treffen mit denUnternehmern und den Mitarbeiter-Workshopsin den Betrieben gilt es natürlich, die betriebs-spezifischen Workshops vor- und nachzuberei-ten. Außerdem stehe ich den Unternehmernaußerhalb unserer Treffen mit Rat und Tat zurSeite.

Welche Vorteile bietet die direkte Arbeit mitden Betrieben und welche Schwierigkeiten inder gemeinsamen Arbeit im Netzwerk gilt eszu umschiffen?

Schuler: Schwierigkeiten könnten sich ergeben,wenn Einzelne nicht bereit sind, ehrlich überdie eigenen Erfahrungen zu berichten. Über Er-folge erzählt es sich leicht, noch nicht bewäl-tigte Probleme werden doch gerne verschwie-gen, wenn man einander nicht vertraut. Abergerade hieraus kann man sehr viel lernen undwir tun viel zur Pflege einer offenen Kommuni -kation.

Betriebliche Netzwerkarbeit bringt den beteiligten Unternehmerinnen und Unternehmern gerade im Bereich

der betrieblichen Innovationsförderung viele Vorteile. Jedoch gibt es auch viele Stolpersteine, die umgangen

werden sollten. Die zentrale Figur einer erfolgreichen Netzwerkarbeit ist der verantwortliche Netzwerkbetreu -

er. Im Folgenden befragen wir Elisabeth Jaschinski (Handwerkskammer des Saarlandes) und Josef Schuler

(bad&heizung concept AG) nach den Besonderheiten und Erfolgsfaktoren guter Netzwerkarbeit. Beide sind

Netzwerkbetreuer im Projekt innodeal und betreuen ein Netzwerk mit jeweils acht Betrieben.

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25præview Nr. 2 | 201424

Gegenseitige Unterstützung und Beratung als grundlegendes Hand-lungsprinzipIm Handwerk gibt es schon seit mehr als 100Jahren das Prinzip der gegenseitigen Unterstüt-zung und Beratung, das in Zünften, Innungenund weiterführenden Handwerksorganisationentief verankert ist. So gehört es gemäß § 91 Abs.1 Nr. 7 der Handwerksordnung zu den Fortbil-dungsaufgaben der Kammern, Beschäftigte zumErhalt und zur Steigerung der Leistungsfähigkeitzu qualifizieren. Die Handwerkskammer Osna-brück – Emsland – Grafschaft Bentheim mitinsgesamt ca. 11.000 Betrieben, in denen ca.87.000 Menschen beschäftigt sind, setzt diesesPrinzip durch Fortbildungen u.a. zur Steigerungder betrieblichen und individuellen Leistungs-fähigkeit sowie durch die Förderung des Auf-baus von Netzwerken und der gegenseitigenUnterstützung um.

Auch in den Krankenkassen ist bei der Umset-zung betrieblicher Gesundheitsförderung dasPrinzip der Vor-Ort-Beratung und Unterstüt-zung handlungsleitend. Die AOK Niedersachsenberät Betriebe im Handwerk in Belangen derKrankenversicherungsthemen (z.B. Sozialversi-cherungsbeiträge, Reha-Themen, individuelleBeratung) und der Prävention. Dabei stehenThemen der betrieblichen und der individuellenGesundheitsförderung in Form von Schulungenvon besonderen Zielgruppen (z.B. Meister, Aus-zubildende, Unternehmerfrauen) oder betriebs-individuelle Angebote im Vordergrund. Geradeunter der Prämisse der Fachkräftesicherungnehmen Maßnahmen der Gesundheitsförderungim Handwerk an Bedeutung zu. Jedoch nehmenPrävention und Gesundheitsförderung deutlichmit der Betriebsgröße ab. Nur 13% der Ange-

bote der betrieblichen Gesundheitsförderung(BGF) der Krankenkassen gehen auf Betriebe mitbis zu neun Mitarbeiter/-innen zurück (Präven-tionsbericht 2012).

Kammern und Krankenkassen haben somit ge-meinsame Interessen, Aufgaben und Pflichten:Beide sind daran interessiert, Handwerksbetriebeso weiter zu entwickeln, dass die Gesundheitder Beschäftigten und damit auch die Innova-tionsfähigkeit des Unternehmens gestärkt wird.

Das Gesamtkonzept InnoGeKo (Innovation-Gesundheit-Kompetenz) Dieses gemeinsame Interesse und die Prinzipiender gegenseitigen Unterstützung und Beratungwerden im Forschungsprojekt „HanD/I“ aufge-griffen. Gemeinsam mit der Beuth Hochschulefür Technik Berlin wird ein modulares Verfahrenentwickelt und erprobt, mit dem die Innovati-onsfähigkeit und die Gesundheit der Beschäf-tigten gemeinsam gestärkt werden.

Grundgedanke des in der Abbildung dargestell-ten Gesamtkonzepts InnoGeKo ist, dass Gesund-heitsressourcen wie Partizipation, Handlungs-spielräume oder wertschätzende Führung auchdie Innovationsfähigkeit eines Unternehmensstärken. Das Verfahren besteht aus Motivati-ons- und Informationsmodulen, aus Vor-Ort-Analysen mit Hilfe von Leitfäden, Workshopszum Erfahrungsaustausch und einem regionalenNetzwerk (Ducki 2013). Es wurde bei 26 kleinenHandwerksbetrieben verschiedener Gewerke mitinsgesamt 465 Beschäftigten erprobt. Im Fol-genden wird dargestellt, auf welchen Ebenendas Projekt neue Akteursallianzen anregt undwie die Akteure zusammenarbeiten.

Neue Akteursallianz auf betrieblicherEbeneIm Rahmen des InnoGeKo-Verfahrens werdenin den Betrieben neue Akteursallianzen aufge-baut. Der Unternehmer oder die Unternehmerinals Entscheider und eine Person aus der Mitteder Beschäftigten als InnoScout werden gemein-sam angesprochen und qualifiziert. Beide habendie Verantwortung, die Analyse, die Entwicklungvon Veränderungsideen und deren Umsetzungzu gestalten. Diese gemeinsame Verantwortungschafft eine neue Kultur der Kommunikationund Prozessgestaltung. Es werden Partizipation,Verantwortung und Engagement eingeübt unddamit Ressourcen und vorhandene Strukturenim Betrieb gestärkt. Das Vorgehen hebt Alltags-routinen auf, in denen im Betrieb generierte,aber bislang nicht abgerufene Veränderungs-ideen verloren gehen. Gleichzeitig ist diese Formdes wertschätzenden Umgangs ein wichtigesInstrument zur Bindung der Fachkräfte und zumImagegewinn des Betriebes.

Akteursallianz auf überbetrieblicherEbene InnoGeKo ist so konzipiert, dass Berater derHandwerkskammer und der Krankenkassen ge-meinsam die Basisqualifizierung und die beglei -tenden Vor-Ort-Beratungen anbieten. Außer-dem richten sie unter Federführung der Hand-werkskammer die Netzwerkveranstaltungen aus.Das Netzwerk soll die Betriebe in der Regiondurch einen erlebbaren und nutzbringendenZusammenschluss unterstützen. Als praktikableForm haben sich Informationsabende, Work-shops oder ein Erfahrungsaustauschkreis he-rauskristallisiert. Gewünscht sind Informationenzum betriebswirtschaftlichen Nutzen von BGM,betriebliche Handlungshilfen, wie man dem be-stehenden Fachkräftemangel aktiv begegnenkann, sowie „Best-Practice“ aus der Region zumUmgang mit alternden Belegschaften. Im länd-lichen Raum ist es besonders wichtig, Netzwerkegroßflächiger zu organisieren, um einen größe -ren Teilnehmerkreis zu erreichen.

Überbetriebliche Akteursallianzen sindeffizient und schaffen Vertrauen Die Allianz ermöglicht, die unterschiedlichenZugangswege der Partner zu Betrieben zu nut-zen und mögliche Hemmschwellen zu vermei-

den. Die Schulung und Beratung durch zweiAkteure schafft bei den teilnehmenden Betrie-ben Vertrauen in die Umsetzbarkeit der Maß-nahme. Durch die beiden Partner (HWK undAOK) wird symbolisiert, wie die Themen Gesund -heit und Innovationsfähigkeit in ihrem Zusam-menspiel zu Synergieeffekten führen.

Auf der Beraterebene entstehen durch diese Al-lianz viele Vorteile: Die Beraterkompetenz wirddurch das spezifische Wissen und die Erfahrun-gen der jeweils anderen Institutionenvertreterergänzt und das Spektrum der Angebote wirderweitert.

Die institutionellen Partner entwickeln ihre An-gebote bedarfsgerecht weiter. Diese innovativenProdukte sind durch den gemeinsamen und da-mit ganzheitlichen Blick auf die jeweiligen The-men für Betriebe attraktiv. In den entstehendenNetzwerken der Betriebe werden sie aufgegriffenund umgesetzt. Die Netzwerkarbeit bringt dieRegion in den Fokus und stärkt den regionalenZusammenhalt, indem gemeinsam neue Vorge-hensweisen erprobt, Erfahrungen ausgetauschtund gemeinsame Ziele entwickelt werden.

LiteraturDucki, A. (2013). Innovationsfähigkeit von Unternehmen demo-

grafie- und gesundheitssensibel stärken. In S. Jeschke (Hrsg.),Innovationsfähigkeit im demografischen Wandel – Beiträgeder Demografietagung des BMBF im Wissenschaftsjahr 2013,S. 167-182. Frankfurt am Main: Campus.

Präventionsbericht der GKV (2012). Medizinischer Dienst desSpitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.V. Essen: MDS.

Antje Ducki, Andrea Fritzsche, Alexander Strehl

Das InnoGeko-Verfahren in der Übersicht

Akteursallianzen: Wie durch neue Kooperationmehr Innovation in der Region entstehen kannAntje Ducki, Andrea Fritzsche, Alexander Strehl

Angesichts der Herausforderungen des demografischen Wandels können überwiegend kleine Handwerksbetriebe

nur mit Innovationen wettbewerbsfähig bleiben. Im Rahmen des Projekts „HanD/I – Der demografische Wandel

im Handwerk: Innovationen durch gesunde Unternehmensstrukturen“ unterstützt ein interdisziplinäres Projekt-

team in einer spezifischen Themen-, Rollen- und Akteursallianz Betriebe darin, gezielt ihre Innovationsfähigkeit

zu stärken. Dabei werden solche Innovationstreiber in den Fokus genommen, die gleichzeitig die Gesundheit der

Beschäftigten positiv beeinflussen. In einem regionalen Netzwerk werden gute Beispiele verbreitet und damit

das „Gesicht der Region“ als innovations- und arbeitnehmerfreundlich mit geprägt

Die Autorinnen, der AutorAntje Ducki ist Professorin für Arbeits- undOrganisationspsychologie an der Beuth Hoch-schule für Technik Berlin. [email protected]

Andrea Fritzsche ist als Diplom-Sozialpäda -gogin Trainerin und Beraterin im AOK Institutfür Gesundheitsconsulting der AOK Nieder-sachsen.

Alexander Strehl ist langjährig in verschiede-nen Funktionen an der HandwerkskammerOsnabrück – Emsland – Grafschaft Bentheimtätig.

Modul 1

Modul 2

Modul 3

Modul 4

Modul 5

Modul 6

BasisqualifizierungBetriebsinhaberInnovation/GesundheitTrends und Nachfragepotenziale

Motivationsaufbau durch Interviews

Überbetriebliche QualifizierungFühren im Innovationsprozess Anwendung Analyseleitfaden

BasisqualifizierungInnoscoutInnovation/GesundheitAufgaben des Innoscout

Analyse vor OrtZukunftswerkstatt

Analyse vor OrtZukunftswerkstatt

Überbetrieblicher AustauschProjektcafé

Maßnahmenumsetzung vor Ort(Unternehmen 1)

Maßnahmenumsetzung vor Ort(Unternehmen x)

Überbetriebliche Netzwerk-VereinbarungKontinuitätssicherung, Qualifizierung der Innovationsberater

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27præview Nr. 2 | 201426

Tiefere Einblicke in die Führungspraxis hand-werklicher Kleinbetriebe konnten im Projekt„HanD/I – Der demografische Wandel im Hand-werk: Innovationen durch gesunde Unterneh-mensstrukturen“ gewonnen werden. Im Jahr2013 wurden in einer Vorstudie zum Projekt 70Unternehmer/-innen dieser Region zu den The-men Innovation, Gesundheit und Netzwerke be-fragt. 87% der befragten Betriebe aus fünf Ge-werken (Tischler, KFZ, Metall, Elektro, Bäcker)haben weniger als 50 Beschäftigte. Die Befra-gung zeigt: Bis auf eine Ausnahme haben allebefragten Unternehmen in den letzten fünfJahren Innovationen durchgeführt, und zwarinsgesamt 232. Neben 100 kundenorientiertenProdukt- bzw. Dienstleistungsinnovationen wa-ren dies 96 Prozessinnovationen und 36 Sozi-alinnovationen, darunter sieben gesundheitsför -derliche Maßnahmen.

Motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als InnovationspotenzialEs wird deutlich: Unternehmer/-innen vonKleinbetrieben haben ein intuitives Verständnisdavon, dass Innovationen nur mit gesundenund motivierten Beschäftigten realisiert werdenkönnen. Befragt nach förderlichen und hinder-lichen Bedingungen für den Innovationserfolgnennen sie motivierte Mitarbeiter/-innen (22Nennungen), gute Arbeitsbedingungen (14 Nen-nungen) und eine starke Führung (9 Nennun-gen). Motivierte Mitarbeiter/-innen haben Spaßund Freude an ihrer Arbeit. Die befragten Unter -nehmer/-innen wissen, dass Freude an der Ar beitvor allem durch die Arbeitsinhalte (36 Nennun-gen), das Arbeitsklima (30 Nennungen), durchWertschätzung (15 Nennungen), Tätigkeitsspiel-raum (14 Nennungen) sowie Stolz und Erfolgs-erlebnisse (12 Nennungen) zustande kommt.

Klein, aber fein.Was Führung tun kann, damit Kleinbetriebeauch zukünftig am Markt bestehenAntje Ducki, Martina Brandt, Daniela Kunze

Die Region Osnabrück – Emsland – Grafschaft Bentheim ist geprägt durch das Handwerk und durch kleinbetrieb-

liche Strukturen. Wer sich für den Führungsalltag in solchen Kleinbetrieben interessiert und einen genaueren

Blick in die betriebliche Praxis wirft, ist erstaunt: Wo man patriarchale starre Führungsroutinen erwartet, findet

man ein breites Bündel an positiven Führungsansätzen, die darauf ausgerichtet sind, Unternehmen durch Inno -

vationen weiterzuentwickeln und Mitarbeiter/-innen möglichst lange im Unternehmen zu halten.

In den Aussagen der Unternehmer/-innen findetsich ein umfassendes Verständnis von Gesund-heit. Neben körperlicher Unversehrtheit undSchmerzfreiheit zählen zur Gesundheit auchpsychische und soziale Aspekte wie Wohlbefin-den, Freude und Stolz sowie die Fähigkeit, Ver-trauen und stabile Beziehungen aufzubauenund zu halten. Gesundheit ist einerseits einewichtige Voraussetzung, um dauerhaft innova-tionsfähig sein zu können, andererseits könnenInnovationen Gesundheit beeinflussen.

Nur wem es gelingt, die eigene Begeisterungfür das tägliche Gewerk und die Aufmerksam-keit für das Können und das Wollen der Mitar-beiter/-innen zusammenzubringen, hat lang-fristig am Markt Erfolg. Die Führungsforschungkommt deshalb zu dem Schluss, „dass Führungs-kräfte genauso diszipliniert an Management-innovationen arbeiten müssten, wie sie es sonstbei Produkt- und Dienstleistungsinnovationentun“ (Grote & Hering 2013, S. 40). Das habenviele Unternehmer/-innen verstanden, wie dieBefragungsergebnisse zeigen. Aber können siees auch im Führungsalltag umsetzen?

Zur Beantwortung dieser Frage wurden bei denzwölf am Qualifizierungsprogramm teilneh -menden Betrieben neben derGeschäftsführung auch die Be-schäftigten (insgesamt 122) zumFührungsverhalten ihrer Chefsbefragt und die Ergebnisse dieserSelbst- und Fremdeinschätzungmiteinander verglichen.1

Positive Effekte innovations-förderlicher FührungZur Bewertung innovationsförderlicher Führungwurden drei Skalen eingesetzt: zur Ideengene-rierung (z.B. „Ich ermutige meine Mitarbeiter,neue Ideen einzubringen.“), zur Ideenimplemen-tierung (z.B. „Ich berate meine Mitarbeiter, wiesie eine neue Idee in der Firma durchsetzenkönnen.“) und zur Ideenumsetzung (z.B. „Ichversuche gute Bedingungen für die Umsetzungvon neuen Ideen zu schaffen, wie Zeitspiel-räume und finanzielle Ressourcen.“).

Um die positiven Effekte innovationsförderlicherFührung zu ermitteln, wurden Arbeitsfreude,Commitment, Motivierung und die erlebte Wert-schätzung der Mitarbeiter/-innen bewertet.Commitment erfasst die Verbundenheit mit demUnternehmen. Wertschätzung erfasst, ob sichdie Führungskraft Zeit für die Mitarbeiter/-innennimmt, sie als Personen schätzt, ihre Fähigkeitenerkennt und ihnen hilft, ihre Stärken auszubauen.

Die Auswertung der Befragungsergebnissekonnte erste Hinweise auf einen positiven Effektinnovationsförderlicher Führung auf Arbeits-freude sowie das Zugehörigkeitsgefühl zur

Firma bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiternbelegen. Je besser diese die innovationsförder-liche Führung ihres Chefs bewerteten, destobesser fielen auch die Bewertungen für Arbeits-freude und Zugehörigkeitsgefühl aus. Ebensowurden die Merkmale „Wertschätzung“ und„Motivation“ des Führungsstils ihres Chefs vondenjenigen Beschäftigten hoch bewertet, dieauch dessen innovationsförderliche Führunghoch bewertet haben (vgl. Abbildung).

Diese Ergebnisse werden mit weiteren Befragun -gen bei 13 teilnehmenden Betrieben einer zwei-ten Qualifizierungsrunde überprüft und vertieft.

Regionen durch Netzwerke stärkenGerade in Regionen wie Osnabrück – Emsland– Grafschaft Bentheim, in denen der Anteil derKleinbetriebe sehr groß ist, wird es aber nichtausreichen, sich als einzelne Unternehmerinoder einzelner Unternehmer zu engagieren.Wenn die Region durch ein „regionales inno-vationsfreundliches Klima“ gestärkt werden soll,müssen sich Unternehmer/-innen zusammen-schließen, austauschen und gemeinsam anverschie denen Stellen (Handwerkskammer, In-nungen, Wirtschaftsförderung, Politik, ...) dafürsorgen, dass Handlungsräume so geschaffenund erweitert werden, dass sich Menschen an-gezogen fühlen, hier zu arbeiten, weil nicht nurdie Arbeitsbedingungen stimmen, sondern auchdie Lebensqualität. Obwohl 60% der befragten70 Betriebe grundsätzlich positive Erfahrungenmit Netzwerken in der Region gemacht haben,spielen diese bei der Entwicklung und Umset-zung neuer Ideen offensichtlich bislang kaumeine Rolle. Alle zwölf Geschäftsführer/-innen,die sich an der ersten Runde des Qualifizie-rungsprogramms zum Thema Innovation und

Gesundheitsförderung im Rahmen des HanD/I-Projekts beteiligt haben, gaben an, dass sie bis-lang bei der Entwicklung und Umsetzung neuerIdeen nur mittelmäßig oder wenig vom Erfah-rungsaustausch durch die Beteiligung an Netz-werken profitiert hätten.

FazitGute Führung ist inspirierend und motivierend,erkennt Potenziale der Mitarbeiter/-innen, ent-wickelt diese im alltäglichen Arbeitshandelnweiter und praktiziert Fürsorge und Verantwor-tung. In dieser Kombination werden die Inno-vationsfähigkeit des Unternehmens und die Ge-sundheit der Beschäftigten gemeinsam gestärkt.Nur beides zusammen stellt sicher, dass Unter-nehmen auch mit alternden Belegschaften eineerfolgreiche Zukunft haben. Regionale Allianzenkönnen Betriebe nicht nur gezielt für diese Zu-sammenhänge sensibilisieren. Sie sind zudemgefordert, geeignete Voraussetzungen für denbetrieblichen Erfahrungsaustausch auf regio-naler Ebene zu schaffen. Der Beitrag von Ducki,Fritzsche und Strehl in diesem Heft zeigt, wiesolche regionalen Allianzen geschlossen werdenkönnen.

LiteraturGrote, S. & Hering, V.W. (2013). Mythen der Führung – Acht The-

sen zu einer überfälligen Revision des Verständnisses von Füh-rung. Personalführung, 12/2013, S. 38-44.

Antje Ducki, Martina Brandt, Daniela Kunze

Effekte innovationsförderlicher Führung

Die AutorinnenAntje Ducki ist Professorin für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Beuth Hochschule für Technik Berlin. [email protected]

Diplom-Ökonomin Martina Brandt und Diplom-Psychologin Daniela Kunze sindwissen schaftliche Mitarbeiterinnen im Fachbereich Wirtschafts- und Gesellschafts -wissenschaften der Beuth Hochschule für Technik Berlin.

1 Verwendet wurde eine fünfstufige Bewer-tungsskala: 1 = trifft nicht zu, 2 = trifftwenig zu, 3 = trifft mittelmäßig zu, 4 =trifft überwiegend zu, 5 = trifft voll zu.

Arbeitsfreude

Commitment

Mitarbeiter-motivierung

individuelle Wertschätzung

4,31

4,06

4,38

3,06

4,03

3,54

0 1 2 3 4 5

hohe innovationsförderliche Führung (n=58)geringe innovationsförderliche Führung (n=62)

2,71

3,62

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29præview Nr. 2 | 201428

Sie haben sich für die Übernahme der Firmen -nachfolge entschieden. Welche Rolle spieltdabei ein gezieltes Wissensmanagement?

Dies ist ein wesentlicher Teil. Wir haben einengewissen zeitlichen Rahmen, in dem wir unsdas Wissen, das unsere Eltern in den 30 JahrenUnternehmensführung gesammelt haben, an-eignen sollen. Die Übergabe findet bisher flexibelstatt, da jeder von uns Kindern einen eigenenBereich zu verantworten hat und dieser neueKompetenzen fordert.

Inwiefern unterscheidet sich Ihre Mitarbei-terführung von der Ihrer Eltern?

Ich bin eher ein „Mittelsmann“ zwischen denParteien „Mitarbeiter/-innen“ und „Führung“,da ich noch nicht ausschließlich Geschäftsfüh-rerin bin. Meine Eltern sind im Umgang mit denMitarbeitern/-innen stringenter und siezen ei-nige. Bei mir ist das Verhältnis aufgrund desähnlichen Alters mit einem Großteil der Beleg-schaft persönlicher.

Welche Veränderungen haben Sie bisher imUnternehmen umgesetzt, seitdem Sie an derFirmenführung beteiligt sind?

Zu Beginn habe ich einen Meckerkasten einge-führt, der anhand eines Ampelsystems im Un-ternehmen transparent gemacht wurde. Vonden positiven Anregungen wurden einige um-gesetzt und die Zufriedenheit konnte gesteigertwerden. Trotzdem bin ich hin und wieder aufWiderstand gestoßen, als die Prozesse definiertwurden und die Umsetzungen beginnen sollten.Neuerungen bringen stets Widerstand mit sich,da eingeschlichene Prozesse Umgewöhnung be-deuten.

„Es sind große Fußstapfen, in die man treten muss!“Tina Petsch und Ilka Warnke, Beraterinnen für Betriebliches Gesundheits-management im Projekt HanD/I, im Interview mit der Nachwuchsführungskraft Madeleine Foppe-Schlotthauer

Unternehmen in eher ländlich geprägten Regionen stehen im Zuge des demografischen Wandels vor der Heraus-

forderung, Fachkräfte zu rekrutieren und Mitarbeiter/-innen langfristig zu binden. Wenn junge, gut ausgebildete

Frauen die Nachfolge in diesen Unternehmen antreten, stehen sie zusätzlich vor der Anforderung, einerseits neue

Impulse durch Innovationen zu setzen und gleichzeitig wichtige Traditionen aufrecht zu erhalten. Ein positives

Beispiel für einen begonnenen Unternehmenswandel im Zuge des Generationenwechsels stellt das familienge-

führte Unternehmen FOPPE + FOPPE dar. Die Nachwuchsführungskraft Madeleine Foppe-Schlotthauer berichtet

im Interview über ihre Erfahrungen innerhalb des Veränderungsprozesses.

Veränderungen können stressauslösend auf Mit-arbeiter/-innen wirken. Wie fördern Sie in IhremUnternehmen die Ressourcen der Belegschaft?Wenn Mitarbeiter/-innen sich bei Aufgabenver-teilungen zu viel zumuten, weisen wir sie daraufhin. Im Rahmen des Projektes HanD/I haben wirz.B. durch überarbeitete Stellenbeschreibungeneine klare Aufgabenverteilung sichergestellt undVerantwortlichkeiten neu definiert. Vorab wurdebesonders im Bereich Kommunikation viel imUnternehmen gemacht. Die Führungskräftewurden geschult, auf welcher Ebene Kommu-nikation geführt werden sollte. Mit praktischenÜbungen wurden Möglichkeiten aufgezeigt,Aussagen oder Fragen wertschätzender zu for-mulieren.

Vor welchen Herausforderungen stehen Sieals Frau in einer eher männerdominiertenBranche?

Durch die Vorarbeiten meiner Mutter, als Frauin dieser Branche, ist es für mich einfacher. DenRespekt verschaffe ich mir durch Taten undharte Arbeit. Hierdurch konnte ich bisher über-zeugen, dass ich nicht nur Unternehmertochterbin. In der Metallbranche ist der Frauenanteilin der Produktion generell niedrig. Durch Prak-tika oder Aktionen wie den „Girls’ Day“ schnup-pern Mädchen zwar ins Unternehmen, aberweibliche Auszubildende in der Fertigung habenwir leider noch nicht gewinnen können.

Welchen Herausforderungen müssen Sie sichzukünftig als Familienunternehmen stellen?

Es sind große Fußstapfen, in die wir treten müs-sen. Die derzeitige Marktposition und das Um-satzvolumen des Unternehmens müssen auchunter unserer Führung bestehen bleiben. Zudem

ist es eine Herausforderung, weiter qualifizierteArbeitskräfte zu bekommen und sie im Unter-nehmen zu halten, um zukünftig gut aufgestelltzu sein.

Wenn die Fachkräfterekrutierung besondersschwer ist, welchen Stellenwert haben Maß-nahmen zur Gesunderhaltung der Beleg-schaft in Ihrem Unternehmen?

Uns ist eine familiäre Struktur, ein gutes Ar-beitsklima und eine feste Einbindung der Mit-arbeiter/-innen ins Unternehmen sehr wichtig.Zudem möchten wir die privaten Belange derBelegschaft kennen, um ggf. Rücksicht nehmenzu können oder an schönen Ereignissen als Be-trieb teilzuhaben. Mitarbeiterinnen und Mitar-beiter sind bei uns nicht nur eine Nummer. Wirüberlegen gerade, Kita-Plätze zu organisierenoder vielleicht sogar eine Betriebskita zu eröff-nen, um die Arbeitskräfte mit kleinen Kindernzu unterstützen.

Was kennzeichnet Ihren Unternehmensstand-ort?

Der Standort wurde gewählt, weil wir dieChance hatten zu wachsen. Wir sind seit 1994hier und haben uns nicht nur allein durch dieGebäude vergrößert. In größeren Städten ist dasnicht einfach möglich, da muss man direkt „out-sourcen“. Das Emsland ist zudem der am stärks-ten entwickelte Landkreis in Niedersachsen.

Weist Ihre Region Besonderheiten auf, diesich auf Ihre Rekrutierungsstrategie von Mit-arbeiterinnen und Mitarbeitern auswirkt?

Schwerpunktmäßig haben wir Arbeitskräfte ausdem regionalen Umkreis. Rekrutierungen aus

einem weitläufigeren Gebiet, wie z.B. der StadtOsnabrück, sind schwieriger. Auszubildende zurekrutieren und zu binden, ist ebenfalls proble-matisch. Generell ist das Interesse, einen hand-werklichen Beruf zu lernen, weniger geworden.Viele ziehen weg und gehen studieren. Darumschauen wir, welche Gegebenheiten bestehenmüssen, damit Auszubildende bei uns in derländlichen Region arbeiten können. Z.B. unter-stützen wir bei Bedarf bei der Wohnungssucheoder vermitteln eine Mitfahrgelegenheit.

Der demografische Wandel ist in aller Munde.Wie wirkt sich dieser konkret auf Ihr Unter-nehmen aus?

Wir sind schon mittendrin. In der Alterstruk-turanalyse, die im HanD/I-Projekt durchgeführtwurde, war klar zu sehen, dass wir in der Be-legschaft eine Lücke in den Altersklassen der30- bis 50-Jährigen haben. Zudem gehen dieersten Arbeitskräfte bei FOPPE Direkt Versandin Rente. Persönlich betrifft mich der demogra-fische Wandel bei dem Thema Nachfolgerege-lung und damit der Gewährleistung des Wis-senstransfers. Um länger abgesichert zu sein,haben wir eine Art Mentorenregelung getroffen.Unsere Eltern werden für uns nach Rentenein-tritt als Ansprechpartner zur Verfügung stehen.

Welchen Beitrag leistet das Projekt HanD/I zurBewältigung des demografischen Wandels?

Die Teilnahme am Projekt hat uns gezeigt, wiegroß der Bedarf in unserem Unternehmen ist,den demografischen Wandel zu meistern. Wirwollen für unsere Belegschaft ein attraktivesArbeitsumfeld gestalten, um Fachkräfte dauer-haft ans Unternehmen zu binden. Dafür wurdeuns bei der Ideenfindung und Umsetzung von

Maßnahmen geholfen, mit denen wir gegen-steuern können. Unter anderem haben wir unserOrganigramm überarbeitet, um Verantwortlich-keiten im Unternehmen zu klären und Stellen-beschreibungen neu zu definieren. Auch habenwir eine Mitarbeiterzeitschrift eingeführt, umRückmeldungen besser ins Unternehmen zutransportieren. Mit Hilfe unseres Slogans „Wirfür dich“ wollen wir durch einen internen Work-shop das Commitment der Mitarbeiter/-innenstärken. Weiterhin planen wir mit Unterstützungder HanD/I-Beraterinnen die Einführung einesQualitätszirkels, um den ständigen Verbesse-rungsprozess im Unternehmen sicherzustellenund die Beteiligung der Belegschaft zu erhöhen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Tina Petsch, M.Sc. Public Health und B.A. Ma-nagement im Gesundheitswesen, ist Beraterinfür Betriebliches Gesundheitsmanagement beider Handwerkskammer Osnabrück – Emsland– Grafschaft Bentheim.

Ilka Warnke, B.A. Public Health, ist Beraterinfür Betriebliches Gesundheitsmanagement imAOK-Institut für Gesundheitsconsulting derAOK Niedersachsen.

Tina Petsch, Ilka Warnke, Madeleine Foppe-Schlotthauer

intærview

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„In ihrer Unterschiedlichkeit liegen Reiz und Stärke“Ein Fazit zum Schluss

Insbesondere dieser vorausschauenden Förderung istes zu verdanken, dass wir heute über ein sehr breitesund fundiertes Wissen über die Auswirkungen der de-mografischen Entwicklung zurückgreifen können: Die„Ergebnisse von gestern“ sind die Basis für die „For-schung von heute“. Sie zeigten unter anderem über-zeugend auf – und das gilt nicht nur für die Bewälti-gung des demografischen Wandels –, dass eine ge-sellschaftlich relevante Forschungsförderung denFokus auch auf die Besonderheiten bzw. die Vielfaltder Regionen legen muss.

Die in dieser Ausgabe der præview vorgestellten Bei-träge stellen einige ausgewählte Ergebnisse der Pro-jekte vor, bei denen der regionale Ansatz im Mittel-punkt steht. Bindeglied ist die Betrachtung einer Re-gion und das Suchen nach Lösungen für die jeweiligenFragestellungen. Gemeinsam sind ihnen die ThemenFachkräftemangel und Innovationsfähigkeit. Ansons-ten unterscheiden sie sich aber erheblich voneinander,je nach Zuständigkeitsbereich der Akteure oder wirt-schaftlicher Beschaffenheit der Region.

So ist es nur logisch, dass dieser Förderschwerpunkteine Vielfalt von Lösungen hervorgebracht hat, die,alle für sich genommen, geeignet sind, von nicht anden Projekten beteiligten Unternehmen und Regionenaufgegriffen zu werden. Die Erfahrungen des Förder-schwerpunkts gehen aber weit über die Ergebnisseder einzelnen Projekte hinaus: Wenn wir die Entwick-lung in den Regionen betrachten, dürfen wir nichtauf der einzelbetrieblichen oder akteursspezifischenEbene stehen bleiben, sondern müssen die Region alsGanzes begreifen.

In vielen Städten und städtischen Regionen ist dasschon ganz gut gelungen, auch wenn es bis zu einerwirklichen Beteiligung aller für die Region wichtigenAkteure noch ein weiter Weg ist. Schaut man in diesogenannten strukturschwachen Regionen, so sindauch hier Ansätze vorhanden, kaum aber ein wirklichregionales Bewusstsein. Die Diskussion um wachsendeoder schrumpfende Regionen mag vielleicht für man-che Analytiker von Interesse sein, den Regionen bringtsie nichts.

Aufgabe von Forschungspolitik ist es, bei der Ausfüllung der Förderprogrammevoraus schauend zu denken und zu handeln, damit sie für die zukünftige Entwicklungunserer Gesellschaft die richtigen Weichenstellungen vornehmen kann. Das trifftauch für das aktuell so bedeutende Thema des demografischen Wandels zu. Manchemögen ja immer noch davon überzeugt sein, dass wir es hier mit einer überraschen-den, so nicht vorhersehbaren Entwicklung zu tun haben, aber im Sinne des voraus-schauenden Handelns fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung nunschon seit über 20 Jahren Projekte, die sich mit den sehr unterschiedlichen Facettendes demografischen Wandels auseinandersetzen.

Gerade in ihrer Unterschiedlichkeit liegen der Reizund auch die Stärke von Regionen. Jede Region mussfür sich klären, was ihre Besonderheit ausmacht, wassie einzigartig macht. Die in der Region verwurzeltenUnternehmen sind hier Partner. Gemeinsam mit denverschiedenen Akteuren können Sie dazu beitragen,dass die positiven Merkmale der Region herausgestelltwerden. Die Menschen, die in einer Region beheimatetsind, brauchen Perspektiven, die sie ermutigen zu blei-ben. Mit kreativen und überzeugenden Marketing-strategien kann erreicht werden, dass Menschen vonaußen in die Region ziehen. Gute Arbeitsbedingungensind hierzu ebenso wichtig wie eine gute Lebensqua-lität.

Die Projekte hatten für die Bearbeitung ihrer sehrkomplexen Fragestellungen etwas mehr als drei JahreZeit. Die Ergebnisse zeigen, dass sie diese Zeit wirklichgut genutzt haben: In den Regionen konnte viel er-reicht werden. Die Politik kann hier mit ihrer Förderungaber nur Anstöße geben. Jetzt liegt es an den Regionenund den beteiligten Partnern, auch nach Ende derFörderung – also auf sich gestellt – auf dem Erreichtenaufzubauen und weiterzumachen. Die Signale dazusind ermutigend, auch deshalb, weil jetzt entspre-chende Strukturen geschaffen sind.

Der große Zuspruch, den die Projekte in ihren vielenWorkshops, Symposien und anderen Veranstaltungenerhalten haben, lässt mich auch hoffen, dass ein brei-ter Transfer in möglichst viele Regionen gelingen kann.Und es ist zu hoffen, dass zukünftige Projekte, die re-gionale Entwicklungen im Fokus haben, die hier er-zielten Ergebnisse nutzen und darauf aufbauen.

Ilona KoppProjektträger im deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt

31præview Nr. 2 | 201430

Art Directors’ Comment

Red Dot Design Museum: Der „Innovations-Raum“Die Fotografien dieser præview wurden in derAusstellung des Red Dot Design Museums Essenexklusiv für diese Ausgabe gemacht. Mit rund2.000 Exponaten aus etwa 45 Nationen wirddort die weltweit größte Ausstellung zeitgenös -sischen Designs präsentiert.

Die Exponate sind Innovation pur: Sie verbindenein wohlgeformtes Äußeres mit Funktionalität,Ergonomie und Qualität und stellen die inter-nationale Elite aktuellen Produktdesigns dar.Das historische Kesselhaus der Zeche Zollvereinin Essen, die seit 2001 zum UNESCO Weltkultur -erbe gehört, bietet einen kontrastierenden Raum,in dem sich die Innovationskraft der Exponatevisuell entfalten kann.

Das Red Dot Design Museum ist damit der In-novationsraum in Deutschland.

DanksagungWir bedanken uns recht herzlich beim Red DotDesign Museum Essen, insbesondere Marie-Chris tine Sassenberg, Senior CommunicationsManager, für die Erlaubnis, Fotos aus dem Mu-seum für die Gestaltung dieser præview zu ver-wenden.

Ein weiterer Dank geht an die Fotografinnen,Pia Rauball und Jenny Muschallik, die mit ihrenBildern eine eigene Perspektive auf den Begriff„Innovations-Raum“ geschaffen haben.

aller Welt. Sie bilden die Jury eines der größtenDesignwettbewerbe der Welt, des Red Dot De-sign Awards. In einem mehrtägigen Verfahrentesten, diskutieren und bewerten die renom-mierten Fachleute sämtliche eingereichten Ent-würfe live und vor Ort in Essen. Dabei legen sieverschiedene Kriterien wie Innovationsgrad,Funktionalität, Langlebigkeit oder Selbsterklä-rungsqualität zugrunde.

Nur Produkte, die diese Kriterien des Wettbe-werbs erfüllen, erhalten das begehrte Qualitäts -siegel und sichern sich damit ihren verdientenPlatz im Red Dot Design Museum.

www.red-dot-design-museum.de

Fast alles, was uns im Alltag umgibt, ist Design:jedes Produkt oder Plakat, jede Inneneinrichtungoder Website ist gestaltet. Dies wird den Besu-chern im Red Dot Design Museum Essen aufspannende Art vermittelt. Auf ihrem Weg durchdie Ausstellung begegnen sie Red Dot-prämier-ten Objekten aus unterschiedlichen Lebens- undProduktwelten.

Dabei machen 2.000 formschöne und innova-tive Exponate auf 4.000 Quadratmetern preis-gekröntes Design und die Qualität alltäglicherGegenstände erfahrbar, denn Anfassen und Aus-probieren ist bei vielen Produkten ausdrücklicherlaubt. Der Kontrast von Alt und Neu, von ak-tueller Produktkultur und historischer Indus-triearchitektur macht das Red Dot Design Mu-seum zu einem unvergesslichen Erlebnis undlässt alltägliche Gegenstände in einem ganz an-deren Licht erscheinen.

Die Entscheidung darüber, welche Produkte imRed Dot Design Museum gezeigt werden, treffenjedes Jahr aufs Neue Gestaltungsexperten aus

Das Red Dot Design Museum Essen

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